Das Erbe des Vaters
und weg von Heidi, stimmt’s, Caleb?«
»Um Gottes willen.« Caleb stellte den Putzeimer weg und setzte sich zu Romy. »Denk nur mal an all die Vorteile, die es hat, nicht verliebt zu sein.«
»Genau«, sagte Jake beifällig. »Es ist auf jeden Fall schon mal billiger. Weniger Getränke im Pub. Keine Blumensträuße mehr, weil man Mist gebaut hat.«
Romy dachte an Magnus. »Und man muß nicht so tun, als würde man die Freunde vom anderen mögen.«
»Und keiner beschmiert einem die Wände.«
»Und man braucht keine widerlichen Brote zu essen«, steuerte Caleb bei.
Romy kicherte. »Und keine verschimmelte Fischpaste.«
»Na, siehst du? Es ist viel besser, nicht verliebt zu sein.« Jake goß Whisky ein und hob das Glas. »Auf ein liebesfreies Leben«, sagte er, und sie stießen miteinander an.
9
S PÄTER KONNTE R OMY NICHT mit Sicherheit sagen, wie sie und Caleb Freunde geworden waren. Er war einfach dagewesen, und sie hatte sich verlassen gefühlt ohne Tom, der nach Paris gegangen war, und ohne Jem, der nichts von sich hören ließ, obwohl er seinen Militärdienst längst hinter sich gebracht hatte.
An einem kalten Sonntag im November waren sie in einer Kneipe in Soho, als Jake einen seiner Gläubiger erkannte und die Flucht durch die Hintertür ergriff. Caleb und Romy blieben allein zurück.
Caleb fragte sie, was sie am Nachmittag vorhabe. Sie dachte an ihre Wohnung, die so still und kalt war, seit Tom fort war. »Ich habe einen Haufen Bügelwäsche«, sagte sie. »Und ich müßte mal wieder saubermachen … und Briefe schreiben …«
»Das klingt nicht sehr verlockend.«
»Tom und ich sind sonntags immer ausgegangen«, erklärte sie. »Ich arbeite fünfeinhalb Tage die Woche im Hotel, der Sonntag war immer unser Tag. Das liebesfreie Leben ist ja ganz schön, aber es hat seine – Leerstellen.«
Tatsächlich kam sie gut zurecht, bis auf die Sonntage. Die waren immer trübe und von einem Gefühl des Scheiterns gefärbt: Sie hatte Tom verloren, und es gab niemanden, der Tom ersetzen konnte.
»Ja, es kränkt einen so, nicht wahr?« meinte Caleb. »Einfach abserviert zu werden.«
»Ja, genau«, stimmte sie zu. »Man fragt sich, ob man was falsch gemacht hat. Oder ob man irgendwie nicht in Ordnung ist.«
»Ob man vielleicht schielt oder aus dem Mund riecht und es nur nicht gemerkt hat. Oder ob man einfach nur stinklangweilig ist.«
»Oder ob man einfach nicht der Mensch ist, in den andere sich verlieben.«
Sein Blick ruhte auf ihr. »Das glaubst du doch nicht wirklich?«
»Manchmal schon.« Sie starrte in ihr Glas.
»Aber das ist absurd, Romy.«
»Findest du?« Sie hatte sich in letzter Zeit des öfteren gefragt, ob sie irgendwie nicht ganz normal war, ob ihr etwas fehlte. »Ich schaue nicht so aus, wie es von Frauen meines Alters erwartet wird.«
Er sah sie erstaunt an. »Wie meinst du das? Wie sollen Frauen deines Alters denn ausschauen?«
»Ach, du weißt schon.« Jetzt war ihr die Sache peinlich.
»Nein, ich weiß es nicht. Klär mich auf.«
»Na ja, wie sie eben im Kino aussehen oder auf den Titelbildern von Illustrierten. Blond und – du weißt schon – kurvenreich … und –« Sie brach ab. »Lach nicht, Caleb.«
»Ich lach ja gar nicht. Ehrlich.« Er bemühte sich, ein ernstes Gesicht zu machen.
»Ich habe schon mal dran gedacht, mir die Haare zu bleichen, aber –«
»Bloß nicht!« Die Heftigkeit seiner Worte überraschte sie. »Du hast tolles Haar, Romy. So eine ungewöhnliche Farbe. Wie die Blätter im Herbst.«
»Verdorrte Blätter«, sagte sie seufzend. »Wie romantisch.«
»Romy, wenn du dir einbildest, du würdest lieber wie Jayne Mansfield oder Marilyn Monroe aussehen, bist du verrückt. Du bist etwas Besonderes.«
»Aber ich würde lieber so aussehen wie alle anderen«, jammerte sie.
»Nein, bestimmt nicht. Was glaubst du denn, warum Jake dich malen will, wenn du so häßlich bist?«
»Ach«, gab sie wegwerfend zurück, »Jake malt doch alles, was ihm vor Augen kommt. Einmal hat er einen Traktor gemalt.« Sie seufzte. »Tom war der einzige von meinen Freunden, mit dem es länger als ein paar Wochen gedauert hat. Und am Ende hatte er auch genug von mir. So viele Frauen in meinem Alter sind längst verheiratet und haben Kinder.«
»Das wünschst du dir auch?«
»Nein, bestimmt nicht.« Da war sie immerhin sicher. »Aber vielleicht ist es das, was die Männer abschreckt. Vielleicht mögen Männer lieber Frauen, die zu Hause bleiben und ihnen die Pfeife und die
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