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Das Erbe des Vaters

Das Erbe des Vaters

Titel: Das Erbe des Vaters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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sich das Handgelenk, dann kam sie mit Verdacht auf Lungenentzündung ins Krankenhaus. Evelyn packte einen Koffer und fuhr nach Bournemouth, wo sie sich in einem großen, hellen Zimmer mit Blick auf das Wasser einquartierte. Langsam aber stetig besserte sich Venetias Befinden.
    Venetia selbst sprach das schwierige Thema ihrer Zukunft an. »Ich werde mich nach einem passenden Altenheim umsehen«, erklärte sie Evelyn eines Abends beim Essen. »Etwas Kultiviertes und Ruhiges. In einem Ort am Meer.« Als Evelyn widersprechen wollte, ließ Venetia sie gar nicht zu Wort kommen. »Du bist meinetwegen schon viel zu lange von deinem Mann und deinem Zuhause fort, Evelyn. Ich bin dir wirklich dankbar für alles, was du für mich getan hast, aber du hast dein eigenes Leben. Ich habe mir immer vorgenommen, dir niemals zur Last zu fallen.« Venetia ließ keinen Zweifel daran, daß das Thema für sie damit erledigt war.
    Anfangs hatte Evelyn nichts als Erleichterung verspürt. Es gab gar keine andere Möglichkeit: Ihre Mutter konnte nicht mehr allein leben, und da sie sich weigerte, nach Swanton Lacy zu übersiedeln, und Evelyn nicht auf unabsehbare Zeit in Bournemouth bleiben konnte, gab es keine Alternative. Evelyn begann Altenheime zu besichtigen, erkundigte sich nach Preisen, ließ sich erklären, wie ein Tag normalerweise ablief, was man den alten Leuten bot, machte sich Notizen über das Haus und die Bewohner. Doch nach einer Weile wurde sie sich eines wachsenden Unbehagens bewußt. Ganz gleich, wie sehr sie sich bemühte, ganz gleich, wie sauber und freundlich die Heime waren, es war ihr unmöglich, sich ihre Mutter in einer solchen Umgebung vorzustellen. Unmöglich, sich vorzustellen, daß sie dort glücklich sein würde. Venetia würde sich Mühe geben, gute Miene zum bösen Spiel machen, aber bei ihrem Stolz und ihrer Eigenständigkeit würde sie sich an ein Leben in einer solchen Institution niemals gewöhnen, das sah Evelyn immer klarer.
    Mit einem Seufzer packte sie ihr Notizbuch weg, annoncierte in verschiedenen Lokalzeitungen und hängte Zettel in Geschäften aus. Eine Folge von Frauen stellten sich bei ihr vor, um sich um die Stelle als Haushälterin und Gesellschafterin zu bewerben. So richtig paßte keine, viele waren völlig ungeeignet. Ein oder zwei – massige Frauen mit trägen Bewegungen, deren Kleidung nach kaltem Zigarettenrauch roch – erinnerten Evelyn an die fürchterliche Mrs. Vellacott.
    Schließlich war nur noch eine Bewerberin übrig, mit der Evelyn noch nicht gesprochen hatte. Sie machte sich allerdings keine großen Hoffnungen. Wahrscheinlich war Miss Mitchell auch eine dieser dicken, phantasielosen Matronen, die sich mit ihrer Erfahrung und ihrem Talent, einfache, leichtverdauliche Speisen zu bereiten, brüsteten.
    Aber Miss Mitchell war weder dick noch matronenhaft. Jung, mit lockigem Haar und klarem Blick, trat sie ins Haus, ihr Dufflecoat feucht vom Regen, und entschuldigte sich für die kleine Verspätung, während sie ihren Schirm zusammenklappte und in den Schirmständer stellte. Sie habe sich mehrere Jahre um ihre kranke Mutter gekümmert, berichtete sie Evelyn. Sie sei nicht zimperlich, und sie kenne sich in der Krankenpflege ganz gut aus. Sie sei nicht die beste Köchin der Welt, bekannte sie, aber nach Rezept könne sie gut arbeiten, und mit etwas Praxis würde sie sicher besser werden. Sie habe sich um die Stellung beworben, weil sie gern mit alten Leuten zusammen sei und – ihre Ehrlichkeit entwaffnete Evelyn – weil ihre Wohnung winzig und wahnsinnig teuer sei und ihr deshalb eine Arbeitsstelle mit Unterkunft wie gerufen käme.
    »Nennen Sie mich doch Jeanette«, sagte sie zu Evelyn, bevor sie bat, mit Venetia bekannt gemacht zu werden. Damit war alles entschieden – keine der anderen Bewerberinnen hatte sich dafür interessiert, Venetia kennenzulernen; keine hatte ihr die Würde ihrer eigenen Individualität zugestanden; alle hatten sie sie einfach mit allen Alten in einen Topf geworfen.
    Die wenigen Vorbehalte, die Evelyn noch hatte – Zweifel, ob Jeanette für so eine Aufgabe reif genug war, und eine gewisse Verwunderung darüber, daß eine hübsche junge Frau ihre Tage in Gesellschaft einer alten Frau zubringen wollte –, schienen ziemlich belanglos. Im Gespräch mit Venetia war Jeanette weder gönnerhaft noch ungeduldig. Es gab einen etwas peinlichen Moment, als Jeanette ziemlich laut über einen ihrer eigenen Scherze lachte, aber dann löste ein Lächeln Venetias strenge

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