Das Erbe des Vaters
zurückkehrte, und Mrs. Plummer hatte Johnnie Fitzgerald hinausgeworfen. Danach lief zunächst alles nach dem üblichen Muster ab. Johnnie vertrieb sich die Zeit der Trennung mit Trinken, Spielen und anderen Frauen, während Mrs. Plummer wie immer ihren Geschäften nachging. Dann begannen die Rosensträuße, die Orchideen, der Champagner im Hotel einzutreffen. Diesmal jedoch ließ Mrs. Plummer zur Überraschung aller die Geschenke zurückgehen. Johnnie Fitzgerald, wies sie Max, den Portier, in scharfem Ton an, habe keinen Zutritt mehr zum Hotel. Johnnie schimpfte, wütete und bettelte. Sinnlos betrunken bezog er eines Abends unter Mrs. Plummers Schlafzimmer Posten und brüllte Beschimpfungen zu ihr hinauf, bis Max und Lawrence, der zweite Koch, ein ehemaliger Seemann mit prächtig tätowierten Armen, ihn wegschleppten.
An einem Abend mit grauen Wolken und heftigen Windstößen suchte Romy im Gewühl der französischen Brasserie nach Caleb und sah sich unversehens Johnnie Fitzgerald gegenüber.
»Romy«, sagte er. »Sie sind doch Romy, nicht wahr?« Er lächelte sie an. Das überraschte sie; sonst sah er immer durch sie hindurch, als wäre sie gar nicht vorhanden.
»Mr. Fitzgerald.«
»Warum denn so förmlich? Wir kennen uns doch lange genug. Sagen Sie einfach Johnnie zu mir.«
»Gut, dann eben Johnnie.« Sie traute seinem Lächeln nicht.
Er schob sich vor sie und versperrte ihr den Weg. »Nicht so eilig. Ich finde, wir sollten uns mal unterhalten. Kommen Sie, ich lade Sie zu einem Drink ein, Romy.« Er schnalzte mit den Fingern und bestellte zwei Gin Tonic. »Es gibt eine Menge zu bereden«, sagte er. »Sie und ich, wir haben eine Menge zu bereden.«
Sie roch den Alkohol in seinem Atem, als er sich ihr zuneigte.
»Da wäre zum Beispiel das Hotel«, fuhr er fort. »Sie arbeiten gern im Hotel, nicht wahr, Romy? Und dann wäre da natürlich noch Mirabel.«
So nahe gesehen, waren Johnnie Fitzgeralds Augen von einem tiefen, dunklen Braun, beinahe schwarz. Sie fragte sich, was er von ihr wollte. Er nahm sein Glas und spülte die Hälfte des Gins mit einem Zug hinunter. Auf seinem Handrücken wuchsen kleine schwarze Härchen. Er ist wie ein Tier, dachte sie, wie ein geschmeidiges Raubtier.
»Wie geht es Mirabel?« fragte er. Sein Ton war beiläufig, aber sein Blick unter den halbgeschlossenen Lidern war scharf beobachtend. »Es geht ihr doch hoffentlich gut.«
»Es geht ihr sehr gut, Mr. Fitzgerald.«
»Johnnie«, sagte er scheinbar gekränkt. »Ich habe doch gesagt, Sie sollen mich Johnnie nennen.« Er hob die Hand und berührte mit einer Fingerspitze ihre Wange. Mit bedächtigem Strich zeichnete er die Kontur ihres Gesichts nach. »Wir sollten Freunde sein, Romy. Sie arbeiten für die Frau, die ich liebe. Das ist doch eine Art Verwandtschaft, nicht wahr?«
Sie sagte: »Ich dachte, Sie lieben Miss O’Neill«, und sein Gesicht wurde zornrot.
»Oh, oh«, sagte er. »Sie beißt.« Dann lächelte er wieder. »Sie sind noch sehr jung, nicht wahr, Romy? Sie verstehen das nicht.«
»Und was soll das bitte sein, was ich nicht verstehe?«
»Wie das ist zwischen Männern und Frauen. Sie wissen nichts von der Liebe. Sie wissen nichts von der Beziehung zwischen Mirabel und mir. Norah – Norah ist nicht von Bedeutung. Wir Männer –« er lachte ein wenig –, »wir sind leider schwache Geschöpfe. Wenn eine Frau uns Avancen macht, fällt es uns schwer zu widerstehen. Aber es hat überhaupt nichts zu bedeuten. Das glauben Sie mir doch, nicht wahr?«
Sie zuckte mit den Schultern. »Was ich glaube, ist unwichtig.«
»Ich weiß, wie gern Mirabel Sie hat, Romy. Und ich weiß, wie loyal Sie sind.« Er fixierte sie mit heißem, hungrigem Blick. »Darum müssen wir beide uns besser kennenlernen. Weil uns beiden Mirabels Glück am Herzen liegt. Sie möchten sie doch nicht unglücklich sehen, nicht wahr?«
»Natürlich nicht.«
»Aber im Augenblick ist sie nicht glücklich, stimmt’s?« Er schien ihr Schweigen als Zustimmung zu verstehen. Er legte seine Hand auf die ihre. »Dann werden Sie mir sicher helfen«, sagte er.
»Helfen?« fragte sie.
»Sie müssen Mirabel unbedingt diesen Brief bringen.« Er zog ihn aus der Tasche. Auf dem Umschlag stand Mrs. Plummers Name.
Sein Blick und seine Berührung hatten etwas Hypnotisches. »Das kann ich nicht«, murmelte sie. »Mrs. Plummer hat gesagt –«
»Ich bitte Sie doch nur, einen Brief zu überbringen, Romy.« Seine Stimme schmeichelte. »Ist das zuviel
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