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Das Erbe des Vaters

Das Erbe des Vaters

Titel: Das Erbe des Vaters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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nur weil es außerehelich geboren werden würde? Die rebellische kleine Stimme in Evelyn, die sich schon seit einiger Zeit Gehör zu verschaffen suchte, ließ sich nicht länger zum Schweigen bringen, sondern beharrte darauf, daß die Konvention in diesem Fall strikt zu verurteilen war. Vor Jahren hatte Osborne ihren Vorschlag, ein Kind zu adoptieren, mit der wegwerfenden Bemerkung beantwortet: Da weiß man doch gar nicht, was man bekommt, Evelyn . Als hinge der Wert eines Kindes von seiner Herkunft und den Umständen seiner Geburt ab.
    Liebe war ein kostbares Gut; Liebe veränderte und versöhnte. Sie hatte, solange sie Hugo geliebt hatte, die Welt in einem anderen Licht gesehen. Eine kurze, wunderbare Zeitlang hatte es Möglichkeiten und Hoffnung gegeben. War das unrecht gewesen? Der Pfarrer würde ihr vielleicht vorhalten, daß sie den Ehemann einer anderen begehrt hatte. Dr. Lockhart hatte ihren glücklichen Überschwang und ihr blindes Streben nach einer Form von Freiheit als Krankheit gesehen und nicht als geistige Erweiterung. Und sie selbst versuchte nun schon seit einiger Zeit, sich wieder anzupassen, weil sie die Konsequenzen fürchtete, sollte sie es nicht tun.
    Aber es wollte nicht so recht klappen. Was ihr einmal als ein bequemes, wenn auch vielleicht langweiliges Leben erschienen war, rief jetzt Unzufriedenheit hervor. Ihr Dasein schien ihr ohne Sinn und Ziel. Was hatte sie, eingemauert in ihrer bröckelnden Festung samt Rosen und Teichen, der Welt schon gegeben!
    Ihre Gedanken kehrten zu Jeanette zurück. Wenn sie selbst schon nicht glücklich sein konnte, dann konnte sie wenigstens versuchen, einen anderen Menschen glücklich zu machen. Niemand wußte schließlich besser als sie, was es bedeutete, sich nach einem Kind zu sehnen, ein Kind zu verlieren.
    Der Kleine neben ihr war des Spiels mit Schaufel und Eimer müde geworden; er kam zu ihr und hielt ihr einen Stein als Geschenk hin. Evelyn dankte ihm und schloß die Finger um den glatten, kühlen Stein wie um einen Talisman.
    Dann ging sie zum Haus zurück.
    Venetia war in ihrem Schlafzimmer und schrieb Briefe. Nachdem Evelyn die Tür hinter sich geschlossen hatte, sagte sie ohne Umschweife: »Du hattest recht. Jeanette ist wirklich schwanger.«
    »Ach, Gott.« Venetia trocknete das Geschriebene mit dem Löscher. »Und wann kommt das Kind?«
    »In drei Monaten ungefähr.«
    »Und einen Ehemann gibt es nicht?«
    Evelyn schüttelte den Kopf. »Der Vater des Kindes ist ein verheirateter Mann.«
    Venetia schnalzte mit der Zunge. Evelyn sagte: »Jeanette ist ganz allein. Ich finde, wir sollten sie hierbehalten. Ihre Eltern sind nicht bereit, sie aufzunehmen.«
    »Na ja, ein Verhältnis mit einem verheirateten Mann kann man nun wirklich nicht gutheißen.«
    »Nein, natürlich nicht, Mutter. Aber ich denke, wenn wir Jeanette nicht hierbehalten, leiden alle. Du hast wieder niemanden, der dir Gesellschaft leistet, und wir werden sie beide vermissen. Und sie wird in irgendeinem fürchterlichen möblierten Zimmer landen und von der Hand in den Mund leben. Man kann argumentieren, daß sie sich das selbst eingebrockt hat, aber das Kind kann weiß Gott nichts dafür. Wenn sie dagegen hierbleibt, ist sie wenigstens unter Menschen, die sie mögen.«
    Evelyns Stimme zitterte heftig, obwohl sie sich bemühte, ruhig zu bleiben. Sie setzte sich auf die Bettkante und strich sich, das Gesicht von ihrer Mutter abgewandt, mit der Hand über die Augen.
    »Evelyn, mein Kind«, sagte Venetia besorgt, »ist dir nicht gut?«
    Sie holte tief Atem. »Doch, doch, Mutter. Ich bin nur ein bißchen müde.« In der Stille drehte sie den Kopf und sah zu, wie Venetia ihren Brief faltete und versuchte, ihn in einen Umschlag zu schieben.
    »Soll ich dir helfen, Mutter?«
    »Ach, ja, danke, Liebes.« Venetia reichte ihr den Brief. Dann sagte sie: »Selbstverständlich muß Jeanette bleiben. Wir sind schließlich keine viktorianischen Spießer, wir werden das Mädchen doch nicht hinauswerfen, weil sie in Schwierigkeiten ist. Aber nur bis das Kind da ist. Dann müssen wir weitersehen.« Sie blickte zu ihren Händen hinunter, als sähe sie die Altersflecken und die von der Arthritis verkrüppelten Finger zum erstenmal.
    »Weißt du«, sagte sie, »ich glaube, daß dein Vater und ich eine gute Ehe geführt haben. Aber wenn ich zurückblicke, dann habe ich den Eindruck, daß die glücklichsten Monate meines Lebens die waren, die wir beide miteinander verbracht haben, wir beide allein, als ich

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