Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Erbe des Vaters

Das Erbe des Vaters

Titel: Das Erbe des Vaters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
Vom Netzwerk:
Augen. »Es tut mir leid. Ihnen muß das wie ein gemeiner Betrug vorkommen. Ich packe gleich nach dem Essen meine Sachen.« Sie schüttete Kartoffeln ins Spülbecken und begann, sie zu schälen.
    Evelyn sah, wie das Messer zitterte. Eine Kartoffel sprang Jeanette aus der Hand und fiel klatschend ins Wasser.
    »Es ist nicht meine Absicht, Sie einfach auf die Straße zu setzen, Jeanette«, sagte sie. »Sie brauchen nicht gleich heute zu gehen. Wohin würden Sie überhaupt gehen?«
    »Ich finde schon etwas.« Plötzlich sagte sie unerwartet heftig: »Ich werde Mrs. Seymour vermissen. Bitte glauben Sie nicht, daß alles nur Theater war, weil ich ein Dach über dem Kopf brauchte. So war es nicht. Ich habe sehr gern hier gearbeitet.«
    Evelyn versuchte, sich vorzustellen, wie es war, wenn man jung und unverheiratet war und ein Kind bekam; wenn die bevorstehende Geburt mehr ein Anlaß zu Angst und Sorge als zur Freude war, und sagte: »Ich finde, wir sollten miteinander reden. Das Essen kann warten.«
    Sie setzten sich in den Garten unter den Flieder.
    »Was ist mit dem Vater?« fragte Evelyn.
    »Den interessiert das alles nicht. Er ist verheiratet, wenn Sie es unbedingt wissen müssen.«
    »Ich wollte nicht neugierig sein, Jeanette. Ich möchte nur verstehen. Damit wir gemeinsam überlegen können, was man tun kann.«
    »Tut mir leid, Mrs. Daubeny.« Ihr Trotz löste sich auf. Sie wischte sich mit dem Handrücken die Augen.
    »Meine Mutter und ich waren sehr unaufmerksam«, sagte Evelyn, »aber Sie können doch unmöglich geglaubt haben, daß wir nicht früher oder später merken würden, was los ist. Was hatten Sie denn weiter vor?«
    Jeanette schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht. Ich habe gehofft, mir würde etwas einfallen.« Ihre Stimme klang verzweifelt. »Wahrscheinlich wollte ich einfach nicht darüber nachdenken. Es gibt ja auch keine Lösung. Man wird schwanger, und neun Monate später kommt das Kind. Da gibt es kein Drumherum, und alle verurteilen einen als lasterhafte Person.«
    Evelyn blickte zu den Blumenbeeten hinüber. Man wird schwanger, und neun Monate später kommt das Kind . Wenn es so einfach wäre, dachte sie voll Bitterkeit.
    Jeanette sagte: »Er war mein Chef. Ich habe bei einer Versicherungsfirma in Southampton gearbeitet.« Sie starrte zu ihren gefalteten Händen hinunter. »Einmal, als wir abends noch sehr lange gearbeitet haben, hat er mich zum Dank zum Essen eingeladen. Und später – als er mich nach Hause gefahren hat – ich hatte keine Ahnung, daß ich solche Gefühle überhaupt empfinden kann. Ich wußte nicht, daß man jemanden so sehr begehren kann. Alles, was man so gesagt bekommt – daß man den Männern nicht ihren Willen lassen soll, daß man sich nicht gleich bei der ersten Verabredung küssen lassen soll –, es war alles wie weggeblasen.«
    Bienen summten in den Hortensien; ein Hauch von Salz lag in der Luft. Jeanette hob den Kopf und strich sich das lockige braune Haar aus dem Gesicht. »Ich will mich nicht entschuldigen. Ich weiß, daß es nicht in Ordnung war. Aber ich dachte, er verstünde mich. Ich habe geglaubt, er denkt genauso wie ich. Und er hat mir das Gefühl gegeben – wichtig zu sein. Schön. Ich habe geglaubt, er liebt mich. Ich dachte, er würde seine Frau verlassen, wenn ich ihm sagte, daß ich ein Kind erwarte. Das war schon sehr naiv von mir, nicht? Es geht nicht nur um Liebe.«
    Jeanette weinte jetzt. Evelyn meinte, selten jemanden so trostlos gesehen zu haben.
    »Es gab wohl andere Erwägungen«, sagte sie vorsichtig. »Zum Beispiel, wenn er Kinder hatte.«
    »Er hatte einen Sohn und eine Tochter. Und er wollte auf keinen Fall noch ein Kind.« Sie senkte die Stimme. »Er sagte – er sagte, ich solle es abtreiben.« Sie sah Evelyn beinahe herausfordernd an. »Er wollte mir das Geld dafür geben. Als ich ablehnte, sagte er, er hätte getan, was er konnte, jetzt müßte ich selbst sehen, wie ich weiterkomme. Zwei Tage später wurde mir gekündigt. Ich hätte wahrscheinlich damit rechnen sollen. Ich meine, ich konnte ja wohl kaum weiter mit ihm zusammenarbeiten.«
    Sie wischte die Tränen weg und fuhr mit etwas festerer Stimme zu sprechen fort. »Da stand ich plötzlich ohne einen Penny auf der Straße. Als ich meiner Mutter gestand, was los war, bekam sie einen Anfall. Sie sagte, ich könne bei ihnen wohnen, solange mir nichts anzusehen sei, aber dann müßte ich in ein Heim für uneheliche Mütter. Und das Kind sollte ich gleich nach der Geburt zur

Weitere Kostenlose Bücher