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Das Erbe des Vaters

Das Erbe des Vaters

Titel: Das Erbe des Vaters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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Kopfschmerzen nach der schlaflosen Nacht. Ihre Gedanken schweiften immer wieder zu belanglosen Dingen ab. Sie mußte daran denken, Hundefutter zu besorgen und ihre Jacke von der Reinigung zu holen. Sie mußte Mandy daran erinnern, die Zahl der Gäste für das Abendessen am Samstag noch einmal zu überprüfen …
    Eine Erklärung des Polizeibeamten, der gerade vernommen wurde, durchbrach ihre Zerstreutheit. In seiner ersten Aussage in der Nacht nach dem Streit habe Jem zugegeben, bei dem Zusammenstoß in der Gasse die Beherrschung verloren zu haben. Mit einem Ruck hob Romy den Kopf. Der Polizist blätterte in seinem Block. Mr. Notley befragte ihn eingehender. Der Angeklagte, sagte der Polizist gewichtig, habe in der Tatnacht ausgesagt, er sei aus der Gasse, in der es zu dem Handgemenge gekommen war, geflohen, weil er Angst gehabt habe. Auf die Frage, wovor er denn Angst gehabt habe, habe Cole zugegeben, daß er fürchtete, Mr. Babbs getötet zu haben. Bei der Vernehmung sei Cole wütend und gewalttätig geworden.
    »Gewalttätig?« erkundigte sich Mr. Notley.
    »Ja, Sir. Zwei Kollegen mußten ihn festhalten, bis er sich wieder beruhigt hatte.«
    O Jem, dachte sie entsetzt. Jem, du Narr.
    »Bitte fahren Sie fort, Officer.«
    »Im weiteren Verlauf der Vernehmung hat Cole zugegeben, daß er bei dem Streit mit Babbs zugeschlagen hat.«
    »Seine genauen Worte, bitte, Officer?«
    Der Polizeibeamte las vor. »Cole sagte: ›Ich wollte ihm nichts tun. Aber er hat mich so wütend gemacht, und da ist mir der Gaul durchgegangen. Ich wollte ihm wirklich nichts tun.‹«
    Ein plötzliches Aufhorchen, eine Unruhe im Saal, eine Spannung, die von der bisherigen Lethargie nichts übrigließ. Romy konnte Jem kaum ansehen, als Mr. Stokes den Polizeibeamten ins Kreuzverhör nahm und ihm immerhin das Eingeständnis herauskitzelte, daß der Angeklagte seine Aussage am folgenden Tag revidiert hatte.
    Der Polizist verließ den Zeugenstand. Mr. Stokes und Mr. Rogers konferierten leise miteinander. Dann trat Mr. Stokes zum Richtertisch und beantragte eine Vertagung.
    Sie setzte sich in den Warteraum. Außer ihr waren ungefähr noch ein Dutzend Leute da, die alle warteten. Romys Blick wanderte von einem zum anderen. Auf dem Platz ihr gegenüber saß ein junges Mädchen, das weinte. Romy lächelte ihr zu, um sie aufzumuntern, aber entweder war das Mädchen nicht zu trösten, oder das Lächeln verriet Romys eigene Verzweiflung; jedenfalls weinte das Mädchen weiter, leise, sich hin und wieder die Augen mit einem Taschentuch wischend.
    In einer anderen Ecke kämpfte ein Paar mit dem Kreuzworträtsel der Times . Die übrigen Leute schienen alle Hoffnung auf Zerstreuung aufgegeben zu haben. Zeitungen, Illustrierte und Taschenbücher blieben unbeachtet. Männer rauchten Pfeifen oder Zigaretten; eine Frau packte eine Tafel Cremeschokolade aus, brach bedächtig einen Riegel nach dem anderen ab und schob ihn in den Mund. Die Zeit wurde in Zigarettenlängen gemessen. Romy spürte, wie die Sekunden zusammenschnurrten, in der unerträglichen Hitze verschmorten. Irgendwann in der Stunde des Wartens starb die Hoffnung und wurde von Angst abgelöst. Von Angst und den ersten Anfängen eines unerhörten Zorns, der sich nicht beschwichtigen ließ.
    Das vom Gesetz vorgeschriebene Verfahren hatte die Wahrheit nicht aufgedeckt. Sie und Jem hatten keine Stimme, wie sie nie eine Stimme gehabt hatten; wie Jem in den finsteren Monaten nach dem Tod ihres Vaters tatsächlich keine Stimme gehabt hatte. Hinter den hohen, staubigen Fenstern brannte immer noch die grelle weiße Sonne von einem wolkenlosen Himmel herab. Der Kopf tat ihr weh, und ihre Hände waren heiß und feucht. Als sie zu ihnen hinunterblickte, sah sie, daß sie die Enden ihres Chiffonschals zu einem grauen Strick zusammengedreht hatte.
    Die Tür wurde geöffnet, und Mr. Rogers trat ins Zimmer. Er setzte sich zu ihr. Er sei gekommen, um sie zu warnen, erklärte er. Er habe Jem geraten, sich im Sinne des weniger schwerwiegenden Vorwurfs der schweren Körperverletzung schuldig zu bekennen. Er habe das getan, weil man seiner Überzeugung nach ernsthaft damit rechnen müsse, daß die Geschworenen Jem für schuldig im Sinn der ursprünglichen Anklage befinden würden. Der Richter hatte keinen Zweifel daran gelassen, daß seine Sympathien Ray Babbs galten; das werde natürlich seine abschließende Belehrung der Geschworenen beeinflussen. Babbs’ Zeugenaussage vor Gericht stimme mit seiner Aussage vor

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