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Das Erbe des Vaters

Das Erbe des Vaters

Titel: Das Erbe des Vaters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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Evelyn«, erklärte Venetia geheimnisvoll am Telefon. »Es tut mir leid, daß ich dich behelligen muß, ich weiß, wie beschäftigt du bist, aber wenn du dir die Zeit nehmen könntest, am Sonntag vielleicht …«
    Evelyn hatte im Garten gearbeitet. Sie hatte Erde unter den Fingernägeln und einen Rosendorn im Daumen. Sie sog an dem Dorn und sagte, als Venetia keine weiteren Erklärungen gab: »Geht es dir nicht gut, Mutter? Bist du wieder gestürzt?«
    »Es geht mir ausgezeichnet«, antwortete Venetia.
    »Aber was –«
    »Das läßt sich nicht am Telefon besprechen«, sagte Venetia entschieden.
    Evelyn war sich eines vertrauten Gefühls der Erleichterung bewußt, als sie am Sonntag morgen aus Swanton Lacy wegfuhr. Sie hatte zwar versucht, sich zu fügen, wieder eine brave Ehefrau zu werden, Böden zu schrubben und ordentliche Mahlzeiten zu bereiten, aber ihre Bemühungen wirkten sogar auf sie selbst halbherzig und dilettantisch. Die Kacheln im Bad hatten Flecken, und sie vergaß, die Kartoffeln zu salzen, und ließ die Pastete anbrennen. Sie hatte ständig das Gefühl, daß Osborne sie mit nachsichtigem und zugleich wachsamen Blick beobachtete, als wäre sie nicht ganz zurechnungsfähig und könnte jeden Moment überschnappen.
    Venetia schickte Jeanette zum Einkaufen, ehe sie Evelyn ins Wohnzimmer bat.
    »Na?« fragte sie mit Flüsterstimme. »Habe ich recht?«
    »Womit, Mutter?«
    »Mit Jeanette«, antwortete Venetia rätselhaft. Als Evelyn sie verständnislos ansah, fügte sie hinzu: »Evelyn! Mein Gott! Ich fürchte – ich fürchte sehr –, daß Jeanette guter Hoffnung ist.«
    »Guter Hoffnung …« Evelyn starrte ihre Mutter verblüfft an. »Schwanger, meinst du? Du glaubst, daß Jeanette ein Kind erwartet?« Sie war verärgert, daß ihre Mutter ihr die lange Fahrt zugemutet hatte, nur um ihr diese absurde Vermutung mitzuteilen. »Unsinn, nie im Leben.«
    Venetia sah sie mit klarem, nüchternem Blick an. »Ich fürchte doch.«
    Evelyn öffnete schon den Mund zu neuerlichem Protest und schloß ihn wieder. Sie sah Jeanette vor sich, wie immer in einem voluminösen Pulli über der Blue Jeans. Beiläufig hatte sie wahrgenommen, daß Jeanette in den letzten Monaten rundlicher geworden war. Aber sie hatte es reichlichem Essen zugeschrieben.
    »Du meinst nicht«, sagte sie hoffnungsvoll, »daß sie nur ein bißchen zuviel ißt?«
    »Neulich ist mir abends die Brille unters Bett gefallen, und da kam sie, um mir zu helfen. Sie war schon im Nachthemd – also meiner Ansicht nach gibt es da keinen Zweifel. Ich hatte schon seit einiger Zeit so eine Ahnung.«
    Evelyn mußte sich setzen. »Hast du schon etwas zu ihr gesagt?«
    »Ich würde es für besser halten, wenn du mit ihr sprichst, Evelyn. Du bist ihr im Alter doch etwas näher als ich.« Einen Moment lang schien Venetia verwirrt. »In meiner Jugend wurde über solche Dinge überhaupt nicht gesprochen. Ich glaube, ich wüßte gar nicht, wie ich an die Sache herangehen sollte.«
    Bald danach traf Evelyn in der Küche mit Jeanette zusammen. Sie hatte Mühe, die junge Frau nicht anzustarren, die ihr jetzt, da sie sie bewußter anblickte, um die Mitte herum beunruhigend zugelegt zu haben schien. Ihre Gefühle waren gemischt: Einerseits war sie niedergeschlagen bei dem Gedanken, daß nun, wo gerade alles so reibungslos zu klappen schien, die Suche nach einer Hausdame für ihre Mutter von neuem losgehen sollte; andererseits war sie voller Neid auf diese junge Frau, die mühelos zustande gebracht hatte – vermutlich ohne es zu wollen –, was sie vom ersten Tag ihrer Ehe an ersehnt hatte.
    Und natürlich graute ihr vor der unvermeidbaren Peinlichkeit des bevorstehenden Gesprächs. Unsicher begann sie: »Meine Mutter meinte … Sie kann sich natürlich irren … und ich will wirklich nicht aufdringlich sein …« Evelyn holte tief Luft und sagte: »Kann es sein, daß Sie uns etwas zu sagen haben, Jeanette?«
    Jeanette war blaß geworden. Sie antwortete nicht gleich, sondern kippte schweigend eine Tüte Mehl in ein Vorratsglas. Dann sagte sie trocken: »Ich bin schwanger, falls es das ist, was Sie wissen wollen.«
    »Oh!« murmelte Evelyn.
    »Im sechsten Monat.« Sie lächelte schief. »Ich hatte Angst, daß Sie es schon viel früher merken würden.«
    »Im sechsten Monat …« Evelyn rechnete hastig nach. »Dann wußten Sie es also schon, als Sie hier angefangen haben?«
    »Darum brauchte ich den Job ja so dringend. Ich brauchte eine Unterkunft.« Sie schloß kurz die

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