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Das Erbe des Vaters

Das Erbe des Vaters

Titel: Das Erbe des Vaters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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tun.«
    »Ja, aber hättest du zugunsten von Mr. Cole eingreifen können? Hättest du vielleicht taktvoller mit ihm umgehen können?«
    Sein Blick war wie irr. »Evelyn«, flüsterte er, und sie fragte wieder: »Wäre dir das möglich gewesen?«
    »Ja«, antwortete er schließlich mit leiser Stimme. »Ja, ich denke schon.«
    Sein kurzes graues Haar war in Unordnung geraten, sein Gesicht blaß. Sie war sich eines starken Widerwillens bewußt; eines Widerwillens, der sich auch gegen sie selbst richtete.
    »Wenn du wüßtest, wie ich mich für den Kriegsausschuß abgerackert habe«, sagte Osborne plötzlich aufgebracht. »Die Zeit, die ich geopfert habe, von frühmorgens bis spätabends. Ich war stolz auf das, was ich tat. Ich wollte meinen Beitrag leisten und habe es getan. Und dann kommt dieser Cole … Es hat meinem Ansehen geschadet … Danach war alles anders. Die Leute haben mich angegafft … Und Paynter – Paynter hatte danach einen Nervenzusammenbruch. Ich habe ihm geholfen. Ich habe ihm einen neuen Start ermöglicht. Du siehst doch –« mit beschwörendem Blick sah er sie an –, »daß man mir Rücksichtslosigkeit wirklich nicht vorwerfen kann. Ich habe mich um Paynter gekümmert.«
    Sie hörte ihn kaum. Sie hatten, dachte sie, eine Verantwortung; eine Verantwortung ihren Pächtern gegenüber, die von ihnen abhängig waren. Leute wie Sie … Sie wollen immer noch mehr haben , hatte Romy Cole gesagt. Doch Osbornes Fehler – Selbstgerechtigkeit, Arroganz, Ungeduld mit Menschen, die er für dumm hielt – waren nicht die ihren. Ihre Fehler waren von anderer Art.
    »Und als die Coles weg waren«, sagte sie, »hast du den Hof Betty Hesketh gegeben.«
    Er zuckte zusammen. »Nur das Haus«, murmelte er, »nicht den Grund und Boden.«
    Sie stellte die Tassen und Untertassen zusammen und trug sie zum Spülbecken. Während sie den kalten Tee ausgoß und das Becken mit Wasser füllte, sagte sie: »Aber ist dir denn nicht klar, wie du dich kompromittiert hast, Osborne? Begreifst du nicht, daß man zwischen der Vertreibung der Familie Cole und deinem Verhältnis mit Mrs. Hesketh unweigerlich einen Zusammenhang herstellen wird, auch wenn das stimmt, was du sagst, und das eine mit dem anderen nichts zu tun hatte?«
    »Und so ist es auch. Es gibt keinen Zusammenhang.«
    »Ein Mensch hat sein Leben verloren, Osborne.« Ihre Stimme war hart. »Mr. Cole ist tot.«
    Aufstöhnend setzte er sich an den Tisch, die Schultern gekrümmt, aller Widerstand gebrochen. Er war ein großer, kräftiger Mann, aber auf einmal sah er alt und kraftlos aus. Er war ihr nie zuvor schwach erschienen.
    »Ich wollte das doch nicht«, murmelte er. »Ich hätte nie gedacht, daß er sich das Leben nehmen würde.« Er schloß die Augen. »Du mußt mir glauben, Evelyn.«
    Sie spülte die Tassen und die Untertassen und legte sie auf dem Abtropfbrett ab. Noch einmal sagte er in beschwörendem Ton: »Ich wollte es nicht«, aber sie gab keine Antwort.
    Romy fuhr nach Stratton. Nach Middlemere konnte sie jetzt nicht, sie konnte Caleb jetzt noch nicht gegenübertreten. Sie brauchte erst ein oder zwei Stunden, um wieder zu Atem zu kommen, bevor sie ihm in die Augen schauen konnte. Das Gefühl des Grauens, das sie diesen ganzen langen schrecklichen Tag hindurch begleitet hatte, war noch stärker geworden. Sie konnte die Angst nicht abschütteln, daß es ein schwerer Fehler gewesen war, mit Evelyn Daubeny zu sprechen, ein Fehler, der vielleicht unvorhergesehene Konsequenzen haben würde. Geliebte? hatte Evelyn Daubeny in einem Ton gesagt, der Romy verraten hatte, daß sie von der Affäre ihres Manns mit Betty Hesketh keine Ahnung gehabt hatte. Stöcke und Steine waren gar nicht nötig gewesen; sie hatte ihr Zerstörungswerk mit Worten vollbracht. Zu sehen, wie Evelyn Daubeny bleich geworden war, als sie gesprochen hatte, war ihr eine wütende Genugtuung gewesen.
    Jetzt aber hätte sie, wäre es möglich gewesen, die Zeit zurückzudrehen, nur einen Blick in den Rosengarten geworfen und wäre wieder gegangen. Eine Frage ließ sie während der ganzen Fahrt nach Stratton nicht los; plagte sie ohne Unterlaß, während sie Martha von Jem berichtete, dann versuchte, sie zu trösten, und später mit Carol zusammen das Essen bereitete. Marterte sie weiter, während sie ihrer Stiefschwester später beim Abspülen half.
    Wem hatte sie die schlimmsten Verletzungen zugefügt, indem sie Evelyn Daubeny über das Verhältnis ihres Mannes mit Betty Hesketh aufgeklärt

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