Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Erbe des Vaters

Das Erbe des Vaters

Titel: Das Erbe des Vaters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
Vom Netzwerk:
legen.
    Langsam sagte sie: »Hast du deshalb die Coles auf die Straße gesetzt? Um Middlemere für Betty Hesketh freizumachen?«
    »Natürlich nicht! Daran war Cole selbst schuld. Wenn er nicht so starrköpfig gewesen wäre, so hochmütig, so überheblich!« Und als bedürfte es danach keiner weiteren Argumente, sagte er zum Abschluß: »Der Kerl war ein verdammter Sozialist.«
    »Erzähl mir, was damals passiert ist.«
    »Evelyn –«
    »Erzähl es mir. Ich möchte alles wissen.«
    Sein Blick schweifte zum Garten hinaus, zum See und den gebrochenen Pfeilern der kleinen Brücke. Dann sagte er seufzend: »Wir mußten alle Höfe inspizieren. Das hatte Whitehall so angeordnet. Im Frühherbst zweiundvierzig war Middlemere dran. Paynter war der Bezirksbeauftragte, also ging er zu Cole.«
    »Und Middlemere ließ zu wünschen übrig?«
    »Wir hatten immer wieder Schwierigkeiten mit Cole gehabt. Er weigerte sich einfach zu tun, was ihm gesagt wurde. Zuerst ließ er Paynter überhaupt nicht auf sein Land. Er war aggressiv und drohte Paynter. Ich mußte ihn ins Gebet nehmen. Es gab da ein Stück herrenlosen Grund, der nicht zurückgefordert worden war … und ein Teil des Grundstücks stand unter Wasser.« Osborne tupfte sich die Stirn mit seinem Taschentuch. »Die Höfe mußten je nach ihrem Zustand mit A, B oder C eingestuft werden. Middlemere bekam ein C.«
    »Und warum?«
    »Wegen persönlicher Inkompetenz.« Er schloß einen Moment die Augen. »So haben wir es auf das Formular geschrieben. Persönliche Inkompetenz.«
    » Persönliche Inkompetenz  …«
    »Es war eine schwierige Entscheidung«, sagte er ärgerlich, »und jemand mußte sie auf sich nehmen. Wir hatten Krieg, Evelyn. Hitler war gleich auf der anderen Seite vom Kanal. Er wollte uns aushungern. Unter diesen Umständen konnte ich mir Sentimentalität nicht leisten. Das mußt du doch einsehen.«
    Sie sagte: »Middlemere wurde also als schlecht bewirtschaftet eingestuft –«
    »Cole wurde angehalten, seine Methoden zu ändern. Sich nach den Anordnungen des Ausschusses zu richten. Aber das fiel ihm gar nicht ein. Daraufhin –« Er sah sie an, Trotz im Blick. »Es stand so in den Vorschriften. Wir hatten jedes Recht, ihm den Hof zu nehmen. Als wir ihn aufforderten, das Anwesen zu räumen, weigerte er sich.« Er hielt einen Moment inne, dann sagte er gedämpft: »Es hätte ganz anders ablaufen können. Geordnet – halbwegs zivilisiert –«
    »Ich kann mir nicht vorstellen«, versetzte sie, »daß man eine Familie auf zivilisierte Art aus ihrem Zuhause vertreiben kann.«
    »Ich meinte – es lag nicht in meiner Absicht –«
    »In deiner Absicht lag es nur, Mr. Cole sein Zuhause und seinen Lebensunterhalt zu nehmen. Nicht, ihn umzubringen. Wolltest du das eben sagen, Osborne?«
    »Verdammt –«
    »Wie war das mit der Räumung? Erzähl mir, was da passierte.«
    Er hatte die Hände vors Gesicht geschlagen. Nach einer Weile sagte er ruhiger: »Ich hatte ihm gekündigt. Paynter fuhr an dem Morgen nach Middlemere, um dafür zu sorgen, daß alles glattging. Aber Cole war immer noch im Haus. Er hatte sich drinnen verbarrikadiert. Als er schoß, holte Paynter die Polizei. Einer der Beamten wollte durch das Mansardenfenster einsteigen, und da hat Cole auf ihn geschossen. So ein Mensch war das. Er hat einfach auf den Polizeibeamten geschossen.«
    »War der Mann tot?«
    »Nein.« Er runzelte die Stirn. »Er war an der Schulter verwundet.« Wieder eine Pause. »Aber vielleicht glaubte Cole –«
    »Was?«
    »Er hätte ihn getötet.«
    Sie war sich eines überwältigenden Entsetzens bewußt. Sie begriff, was Osborne sagen wollte: daß Cole möglicherweise geglaubt hatte, er habe alles verloren – sein Zuhause, seinen Lebensunterhalt, seine Freiheit. Und sein Leben natürlich. Denn wenn er den Polizeibeamten getötet hätte, hätte er mit der Todesstrafe rechnen müssen. Einem Polizistenmörder gegenüber hätten Richter und Geschworene kein Pardon gekannt.
    Osborne hatte die Augen geschlossen. Er flüsterte: »Das kleine Mädchen hatte sich im Haus versteckt. Wir wußten das nicht. Als die Polizei ins Haus eindrang, fanden sie die Kleine bei dem Toten.«
    Die Vorstellung von dem Kind, das bei seinem toten Vater kniete, war beinahe unerträglich.
    Sie hörte ihn aufschreien: »Es war nicht meine Schuld, Evelyn.«
    Sie verstand, daß er sie um Vergebung bat, um Absolution. Sie sagte: »Hättest du es verhindern können, Osborne?«
    »Ich mußte meine Pflicht

Weitere Kostenlose Bücher