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Das Erbe des Vaters

Das Erbe des Vaters

Titel: Das Erbe des Vaters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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Haken wurden aus ihren Ösen gerissen, und ihre Strümpfe verfingen sich an spitzen Ästchen. Sie trug Büstenhalter und Strumpfhalter in einem rosafarbenen Blumenmuster unter ihrem Baumwollkleid, streifte beides ab, ohne Rücksicht darauf, daß sie kniffen und zwickten und rote Druckstellen auf ihrer Haut hinterließen, einzig bestrebt, die Schichten von Kleidung zu entfernen, die die Vereinigung der Körper verhinderten.
    »Ich habe mir das immer ganz anders vorgestellt«, sagte er. »In einem Garten im Mondlicht oder in einer Suite im Savoy – ich wollte das Beste für dich, Romy.«
    »Das hier ist das Beste«, flüsterte sie. »Das Allerbeste.«
    Sie sanken ins welke Laub. Kleine Steinchen drückten sich in ihren Rücken. Das Sonnenlicht fiel flirrend durch das Blätterdach über ihnen. Als sie ihn in sich aufnahm, als süße Lust sie ergriff und emportrug, hatte sie endlich die Antwort auf die Frage, die sie immer beschäftigt hatte: warum Frauen den Männern soviel von sich gaben. Sie taten es um dieses Augenblicks willen, um dieser herrlichen, wonnigen Ekstase willen. Und weil sie wußten, daß sie nicht mehr allein waren, nie wieder allein zu sein brauchten. Und weil die Leidenschaft sogar Verlust und Bedauern überspülte. Als sie sich schließlich voneinander lösten, ließ sie ihre Hand bei ihm, weil sie die Trennung nicht ertragen konnte.
    Es gab Dinge, über die nachzudenken Evelyn immer erfolgreich vermieden hatte; Dinge, mit denen sie sich nie konfrontiert hatte.
    Vor vierzehn Jahren war in Middlemere Schlimmes geschehen. Eine Familie war aus ihrem Zuhause vertrieben und zerstört worden, ein Mann hatte sich das Leben genommen. Und sie hatte diese Geschehnisse kaum zur Kenntnis genommen. Osborne wollte seinen Anteil am Tod von Samuel Cole verleugnen, den ihren sah Evelyn ganz klar. Osborne trug nicht allein die Schuld.
    Sie hatte sich nie in angemessener Weise um das Wohlergehen der Pächter gekümmert. Mit diesem Aspekt ihres Daseins als Herrin von Swanton Lacy war sie von Anfang an nicht zurechtgekommen. Sie hatte sich nie mit den Familien der Pächter angefreundet; nicht weil sie sie nicht mochte, sondern weil sie ihnen gegenüber Hemmungen hatte und nie zu einem natürlichen Verhalten fand. Sie hatte die Schüchternheit, unter der sie schon als junges Mädchen gelitten hatte, nie ganz abgelegt. Als junge Frau waren ihr alle gesellschaftlichen Verpflichtungen eine Qual gewesen. Osbornes Freunde zu bewirten war schlimm genug gewesen; Begegnungen mit den Pächtern um vieles schlimmer. Immer hatte sie Herzklopfen und Magenschmerzen gehabt vor Angst. Sie wußte, daß die Leute sie für eingebildet und hochmütig hielten. Sie erinnerte sich an eine Veranstaltung – vielleicht eine Blumenschau, bei der sie die Preise vergeben mußte, oder die Eröffnung eines Wohltätigkeitsbasars – im Gemeindesaal vor vielen Jahren; sie hatte sich die größte Mühe gegeben, Kontakt zu finden, aber als sie gegangen war, hatte sie gehört, wie eine Frau mit gesenkter Stimme zu einer anderen gesagt hatte: »Na, die ist ja wirklich die Freundlichkeit in Person!« Diese geringschätzige Bemerkung hatte ihr schwaches Selbstbewußtsein so stark erschüttert, daß sie von da an die Gesellschaft dieser Menschen wo immer möglich gemieden hatte.
    Einigen Verpflichtungen allerdings hatte sie sich nicht entziehen können. Dazu gehörten das Dorffest, der Frauenverein und die verschiedenen Hilfskommitees im Krieg.
    Der Kontakt mit den Dorfkindern hatte ihr Freude gemacht, aber die Väter – wortkarge Bauern – hatten sie eher eingeschüchtert. Vor sich selbst hatte sie die Fehlgeburten als Ausrede für ihren Rückzug benutzt. Als könnte persönliches Unglück einen von Verantwortung befreien.
    Jetzt empfand sie Verachtung für ihr Verhalten. Cole war so starrköpfig, so überheblich , hatte Osborne gesagt. Er hätte seine eigenen Charakterfehler aufzählen können. Die beiden Männer, beide gleich unnachgiebig, mußten in einen Kampf auf Leben und Tod verstrickt gewesen sein. Wenn sie gewußt hätte, was vorging, hätte sie vielleicht mit Osborne reden können. Vielleicht hätte sie ihm klarmachen können, wohin der Kurs, den er steuerte, möglicherweise führen würde; vielleicht auch nicht. Aber sie hätte es wenigstens versuchen müssen.
    Ihre Gedanken wanderten wieder zu der Entdeckung von Osbornes Verrat. Während sie nach dem Verlust ihres ersten Kindes krank gewesen war vor Schmerz und Trauer, war Osborne mit Betty

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