Das Erbe des Vaters
leise.
Sein Finger glitt ihren Rücken hinunter. »Aber wenn du es so sehr haßt«, sagte er, »kannst du es natürlich jederzeit ausziehen.«
»Caleb!« So plötzlich, wie sie gekommen war, verschwand die Erschöpfung wieder. Dafür kehrte die Ruhelosigkeit zurück, nur hatte sie jetzt einen anderen Charakter.
Er gab ihr einen Kuß auf die Schulter. »Es war ja nur ein Vorschlag.«
Ihr Mund war trocken. Nach einer kleinen Pause sagte sie: »Es hat Stäbchen.«
»Was hat Stäbchen?«
»Das Oberteil. Damit es die Form behält.«
»Interessant!«
»Vor allem unbequem. Du kannst froh sein, daß du ein Mann bist und dich nicht in solche Sachen reinzwängen mußt, Caleb.«
Er zog den Reißverschluß im Rücken ihres Kleides auf. Seine Hände glitten unter den Satin. Er küßte die kleinen Buckel ihres Rückgrats, einen nach dem anderen, und sie spürte, wie das Verlangen in ihr erwachte. Als sie aufstand, fiel das Kleid in einem schimmernden jadegrünen Häufchen zu Boden.
»So leicht ist es auch wieder nicht, ein Mann zu sein«, sagte er, »wenn man sich erst durch diese Schichten durchkämpfen muß.«
Sie trug einen Unterrock, ein trägerloses Mieder, Strümpfe und Strapse. Sein Mund liebkoste ihren Busen; sie grub die Finger in sein dichtes dunkles Haar. »Soll ich dir helfen?« fragte sie mit leichtem Spott.
Mit dunklen, brennenden Augen sah er zu ihr auf. »Ich glaube, ich schaff’s allein«, sagte er.
Als sie später in seinem Bett lag, sagte sie: »Als wir das letzte Mal zusammen waren –«
»Du meinst, in der Küche?«
»Du alberner Kerl! Nein, in Stratton.« Ihr Kopf lag auf seiner Brust. Seine Hand glitt über die Wölbung ihres Oberschenkels. Sie blickte zu ihm hinauf. »Erinnerst du dich?«
Er schüttelte den Kopf. »Ich erinnere mich an nichts.«
Sie lachte. »Damals hast du gesagt –«
»Ich habe gesagt, ich hätte mir das erste Mal mit dir im Savoy gewünscht.«
»Ja.«
Er sah sich um. »Na ja, das Savoy ist es nicht gerade.«
»Immerhin haben wir diesmal ein Bett. Das ist besser als Laub.«
»Ich fand das Laub eigentlich ganz schön.«
»Und wir haben ein Dach über dem Kopf –«
»Wir versuchen es einfach weiter«, meinte er. »Und vielleicht landen wir eines Tages tatsächlich im Savoy.«
Er streichelte ihren Bauch, und sie spürte wieder dieses ziehende Verlangen. Aber etwas mußte sie noch wissen. »Caleb?«
»Ja?«
»Du hast doch gesagt, daß du mich nicht mehr haßt …?«
»Hm.« Er war abwärts gerutscht; jetzt streichelten seine Lippen ihren Bauch.
»Heißt das, daß du mich wieder magst?«
»Ob ich dich wieder mag?« Er schüttelte den Kopf. »Romy, ich bete dich an. Ich liebe dich. Weißt du das denn nicht?«
Er rutschte noch ein Stück tiefer. Sie schloß die Augen und sagte nichts mehr.
Wenn sie nicht mit ihm zusammen war, konnte sie sich nicht konzentrieren. Sie kam zu spät zu Terminen, sie mußte jeden Brief und jede Rechnung dreimal lesen. Jede Kleinigkeit, die sie gemeinsam hatten, entzückte sie: daß sie die gleichen Bücher gelesen, die gleichen Filme gesehen hatten. Daß er, genau wie sie, Kaffee lieber trank als Tee, Whisky dem Gin vorzog. Wenn sie mit ihm zusammen war, fühlte sie sich mitten im Leben, nicht mehr draußen am Zaun. Häufig schien das Hotel sich aus ihren Gedanken zurückzuziehen, an Bedeutung zu verlieren. Manchmal schwänzte sie die Arbeit, nahm den Zug nach Norfolk, wo Caleb während der Woche arbeitete, und streifte mit ihm durch den ungewöhnlichen, schönen Garten, den er auf dem sandigen Boden schuf. Einmal fuhren sie über ein Wochenende weg. »Aber das Hotel, Caleb«, wandte sie schwach ein, bevor sie ihre Reisetasche packte.
Sie fuhren Richtung Südwesten. Als sie die schmalen, von hohen Böschungen begrenzten Straßen Dorsets erreichten, begann es dunkel zu werden.
»Hier müßte irgendwo eine Kirche sein«, sagte Romy, die die Karte auf dem Schoß hatte. »Und dann müßte ein Wald kommen. Die blöde Karte stimmt nicht.« Sie warf sie zu Boden.
»Macht doch nichts.«
»Aber jetzt haben wir uns verfahren.«
»Wie können wir uns verfahren, wenn wir noch gar nicht wissen, wohin wir eigentlich wollen?«
Sie mieteten sich im ersten Hotel ein, das auf dem Weg lag. Das Alma-Hotel stand hoch oben auf einer Klippe, und das schäbige Schild, das Handlungsreisende und Hausierer fernhalten sollte, hätte sie eigentlich warnen müssen. In dem kleinen Foyer roch es nach Reinigungsmittel und Kohlgemüse. Eine Frau in den
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