Das Erbe des Vaters
ziemlich Übles getan – Nina Marshall hatte es mir erzählt, ich weiß jetzt nicht mehr, was es war –, jedenfalls gehört ihr das Hotel jetzt, und sie bildet sich weiß Gott was ein. Und stell dir vor –« die Stimme wurde leiser –, »sie hat ein uneheliches Kind!«
»Nein!«
»Doch, wirklich. Bunny Napier hat es erzählt. Es ist ein kleiner Junge. Nina hat sie einmal mit ihm bei Selfridges gesehen.«
»Kein Wunder, daß sie dringend einen Mann sucht.«
»Zigarette, Darling?« Romy hörte das Rascheln von Zellophan, dann das metallische Schnappen eines Feuerzeugs. Dann verschmitzt: »Dein Leslie schien ihr ja nicht ganz abgeneigt zu sein.«
»Leslie würde so eine Person nicht zweimal anschauen.«
»Nein, natürlich nicht, Darling.«
Ein Schniefen. »Zu mir hat er gesagt, er findet, daß sie ordinär aussieht.«
»Gott, ja, dieses Kleid aber auch! So knallig. Wenn man einen blassen Teint hat, sollte man niemals Grün tragen.«
Romy hatte das Gefühl, daß es sie genausoviel Mut kostete, das Zimmer zu betreten, wie es sie damals gekostet hatte, aus Stratton wegzugehen. Aber ihr Mantel lag auf dem Bett – ihr Lieblingsmantel, der blaßblaue Paquin, den Mrs. Plummer ihr geschenkt hatte –, da blieb ihr nichts anderes übrig.
Es wurde mit einemmal still, als sie in den Raum kam und ihren Mantel überzog. Eine der Frauen war plötzlich ganz damit beschäftigt, sich das Gesicht zu pudern, während die andere, deren üppige Formen in ein babyrosa Kleid gezwängt waren, rot anlief.
An der Tür blieb Romy stehen und blickte zurück. Und achtete sehr auf einen ruhigen Ton, als sie sagte: »Mit dem Grün haben Sie vielleicht recht. Aber man sollte auch kein Rosa tragen, wenn man Übergewicht hat. Das schmeichelt wirklich nicht.« Dann ging sie.
Draußen brach die tapfere Fassade zusammen, zitternd, die Hände auf den Mund gedrückt, lehnte sie sich an die Hausmauer. Über ihr, in Nicholas Thirkettles Wohnung, spielte jemand Klavier. Schmachtende, süße Musik drang aus einem der Fenster. Auf der anderen Straßenseite kam eine Gruppe lärmender Männer mit Fußballschals um den Hals aus einem Pub.
Sie ging los. Zuerst wußte sie nicht, wohin. Ins Hotel zurück wollte sie nicht – sie konnte sich die neugierigen Blicke vorstellen, die sie treffen würden, wenn sie viel zu früh von der Party heimkam. Und sie wollte auch nicht allein in ihrer Wohnung sein.
Es begann zu nieseln. Sie klappte ihren Mantelkragen hoch, und als ein Taxi vorbeikam, winkte sie ihm und ließ sich nach Canonbury fahren.
Caleb zeigte ihr seine Wohnung. Sie spürte, daß er auf eine Erklärung wartete, während sie von Raum zu Raum gingen und sie die Hand hier über eine Reihe Bücher, dort über einen Stapel Ziegelsteine gleiten ließ. Aber sie fühlte sich nicht imstande, ihm eine zu geben.
In der Küche sagte er: »Man muß ein bißchen was reinstecken, wie die Immobilienmakler es formulieren …«
»Es ist eine wunderschöne Wohnung.«
»Sehr höflich, Romy.«
»Nein, sie wird bestimmt wunderschön, wenn du fertig bist.«
Er warf den Kopf in den Nacken und lachte. »Ja, das sagen alle. Außer Freddie, der überhaupt nicht verstehen kann, wie ein Mensch nach Canonbury ziehen kann.« Er hielt ein Glas hoch. »Bier?«
Sie schüttelte den Kopf. Eine Rastlosigkeit, die von einer kribbelnden Energie gespeist wurde, hatte von ihr Besitz ergriffen. Sie konnte keinen Moment stillsitzen.
Er beobachtete sie. An der Wand lehnte ein Vorschlaghammer. Er nahm ihn zur Hand und hielt ihn ihr hin. »Na los«, sagte er. »Das hat eine sehr therapeutische Wirkung. Du kannst nach einem schwierigen Tag Dampf ablassen, indem du Wände zertrümmerst.«
»Ich bin ganz ruhig«, sagte sie scharf.
»Nein, bist du nicht«, widersprach er. »Dich hat irgend etwas unheimlich aufgewühlt, aber du willst offenbar nicht mit mir darüber reden. Dann nimm wenigstens den Hammer und hau ein paarmal kräftig auf meine Wand.«
»Caleb –«
»Und wenn du dich um dein Kleid sorgst, kann ich dir eine Jeans und einen Pulli leihen.«
Sie sah an dem grünen Satinkleid hinunter. »Ich sorge mich nicht um das Kleid. Ich würde das verdammte Ding am liebsten verbrennen.« Plötzlich erschöpft, setzte sie sich an den Tisch und stützte den Kopf in die Hände.
»Es ist ein sehr schönes Kleid«, sagte er.
»Du findest nicht, daß es – ordinär aussieht?«
Er streichelte ihren Nacken. »Überhaupt nicht. Verführerisch, ja. Sexy.«
»Oh«, sagte sie
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