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Das Erbe des Vaters

Das Erbe des Vaters

Titel: Das Erbe des Vaters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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Bank auf, um sich zu erkundigen, ob der Kredit, den sie zur Finanzierung der Renovierungsarbeiten aufgenommen hatte, verlängert werden könne. Als sie nach einer höflichen Abfuhr eine halbe Stunde später die Bank verließ, war sie wütend und enttäuscht. Vor ein paar Monaten noch hatte er ihr das Geld buchstäblich hinterhergeworfen. Jetzt steckte in jedem seiner taktvoll formulierten Sätze eine Mahnung, eine Warnung vor den Strafen, die auf einen Zahlungsverzug standen. Es fiel ihr schwer zu begreifen, wie sie in so kurzer Zeit dem Abgrund so nahe hatte kommen können. Die Zinsen für das Darlehen und die Verluste infolge der sinkenden Gästezahlen summierten sich in erschreckendem Tempo.
    Sie erinnerte sich, wie sie als Kind vom Hügel hinter Middlemere Schneebälle hinuntergerollt hatte; wie die Schneebälle, die anfangs so klein gewesen waren, immer größer geworden waren, bis man sie am Ende gar nicht mehr bewegen konnte. Ihr war, als kämpfte sie mit etwas, das schwer und unbeweglich war. Ihre Gedanken schossen auf der Suche nach einer Lösung in alle Richtungen. Sie schlief schlecht, und die ruhelosen Nächte warfen ihre Schatten über die Tage, so daß sie jetzt, wo klares Denken dringend nötig war, dazu nicht imstande war.
    Noch einmal sprach sie mit George Everett. Bei einem Glas Whisky in ihrem privaten Wohnzimmer versuchte sie, das Dilemma schönzufärben. »Es ist nur ein vorübergehendes Liquiditätsproblem«, sagte sie. »In zwei Monaten ist das Trelawney wieder flott. George – wenn Sie mir nur zweitausend Pfund leihen würden, um diesen Engpaß zu überwinden …«
    Auch hier eine Ablehnung, wenn auch freundlicher und teilnehmender formuliert. Sein Geld sei größtenteils fest angelegt, erklärte er, in Grundbesitz und Wertpapieren; er habe kaum Barvermögen. Dann sagte er: »Sie denken also nicht daran zu verkaufen?«
    »Verkaufen?« sagte sie entgeistert.
    Er schnitt das Ende seiner Zigarre ab. »Sie haben hier wertvollen Grundbesitz, Romy. In einem guten Viertel von London. Sie können sich nicht vorstellen, was heute für Grundstücke in Bloomsbury bezahlt wird.« Er sah sie fragend an. »Nein? Schade. Nun ja, wenn Sie es sich doch noch anders überlegen sollten …« Dann fügte er hinzu: »Ich werde mich mal umhören, vielleicht findet sich ja etwas.« Er tätschelte ihr die Hand. »Machen Sie sich keine Sorgen, mein Kind. Jedes Geschäft hat seine Höhen und Tiefen. Sie schaffen das schon.«
    Während sie jeden Tag bis in die Nacht hinein arbeitete, wurde ihr klar, daß sie dem Unvermeidlichen ins Auge sehen mußte. Sie mußte die Renovierung des Trelawney stoppen und sich noch ein paar Jahre länger mit karminrotem Brokat und gestreiften Regency-Tapeten abfinden. Es überraschte sie, wie enttäuscht sie war. Sie war sich nicht bewußt gewesen, daß es ihr ein solches Anliegen gewesen war, das Trelawney nach ihrer Vorstellung zu gestalten.
    Doch am folgenden Morgen kam Mr. Potter von der Malerfirma zu ihr.
    »Haben Sie einen Moment Zeit, Miss Cole? Ich fürchte, wir haben da ein Problem.«
    In den Zimmern im zweiten Stockwerk hatte man die Tapeten von den Wänden gelöst und Schichten klebrigen braunen Lacks von Türen und Fenstern entfernt.
    Mr. Potter wies zu einer Ecke des Zimmer. »Wenn Sie sich das mal ansehen würden, Miss Cole.«
    Auf der Sockelleiste wucherte ein Pilz, gelbbraun und an den Rändern mit einem Graustich. Romy stupste das Gewächs mit dem Finger an. Es hatte etwas Ekelhaftes, beinahe Unheimliches. Sie hörte Mr. Potter sagen: »Wenn wir Pech haben, ist es Trockenfäule. Es ist wahrscheinlich schon seit Jahren da, aber in der Ecke hat ein Schrank gestanden, da hat es niemand gemerkt.« Er schlug mit breiter, kalkweißer Hand auf die Wand. »Das Zimmer sieht ziemlich übel aus. Der Mörtel fällt überall runter, und die Mauer hat einen Bombenschaden vom Krieg, der nicht ordentlich repariert worden ist. Da kommt Feuchtigkeit rein.«
    Romy richtete sich auf. »Aber das kann doch gerichtet werden?«
    »Kommt drauf an, wie weit sich das Zeug schon ausgebreitet hat. Das frißt sich durch die Mauern durch. Es ist die reine Pest. Ich hab schon erlebt, daß wegen der Trockenfäule Häuser eingestürzt sind.«
    Zurück in ihrem Büro, sagte sie sich, er müsse übertrieben haben. Unvorstellbar, daß ein wuchernder gelber Pilz, auch wenn er noch so ekelhaft war, ein ganzes Haus zum Einsturz bringen konnte. So was passierte höchstens in einem Zukunftsroman.
    Ihr war,

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