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Das Erbe des Vaters

Das Erbe des Vaters

Titel: Das Erbe des Vaters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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– hatten sie verändert, so daß sie heute nicht mehr viel gemeinsam hatten. Ihre Freundschaft beruhte auf kaum mehr als Sentimentalität und Nostalgie. Die Bedeutung, die sie – Evelyn – für Celia besaß, hielt sich in Grenzen, sie nahm in ihrem Leben nur noch einen kleinen Platz ein.
    Etwas länger brauchte Evelyn, um sich einzugestehen, daß sie Celia auch beneidete; um ihr Glück und die Intensität ihrer Gefühle. Sie hatte sich stets bemüht, keine Bitterkeit darüber aufkommen zu lassen, daß es Celia so mühelos gelungen war, mit der Geburt von zwei Söhnen und zwei Töchtern die perfekte Familie zu schaffen. Die meiste Zeit über klappte das auch, da sie wußte, daß solche Dinge Glückssache sind, vom Schicksal willkürlich verteilt werden. Jetzt aber, als sie in ihrem Eisenbahnabteil sitzend in die vorüberfliegende Landschaft hinausblickte, verspürte sie plötzlich Eifersucht. Celias Leben wurde mit zunehmendem Alter nicht ärmer; es wurde reicher und bunter – wenn auch vielleicht etwas schwierig. Celia hatte nicht nur vier Kinder, sie hatte auch einen Liebhaber. So viele Menschen, denen sie ihre Liebe geben konnte, von denen sie geliebt wurde.
    Und wie sah es bei Evelyn aus? Sie hatte noch Celias Worte im Ohr. Ich liebe Henry schon lange nicht mehr. Ich bin nicht einmal sicher, daß ich ihn je geliebt habe . Evelyn fragte sich, ob sie Osborne liebte. Sie war neunzehn gewesen, als sie sich begegnet waren, und zwanzig, als sie geheiratet hatten – hatte sie ihn damals geliebt? Seine Aufmerksamkeit hatte ihr geschmeichelt, gewiß – Osborne Daubeny war vierzehn Jahre älter gewesen als sie und aus weit besserer Familie –, aber hatte sie ihn geliebt? Sie konnte sich nicht mehr erinnern. Keinesfalls hatte sie diese sinnliche Begierde kennengelernt, die Celia so verwandelt hatte. Sie hatte mit Osborne geschlafen, weil es ihre Pflicht als Ehefrau gewesen war und weil sie Kinder wollte. Aber besonders genossen hatte sie es nie, und sie konnte sich auch nicht vorstellen, was andere Frauen daran fanden.
    Evelyns Eltern hatten in Indien gelebt. Mit sieben war Evelyn mit ihrer Mutter nach England gereist. Sechs Monate später war Mrs. Seymour nach Indien zurückgekehrt. Ihre Tochter hatte sie in England zurückgelassen, wo diese Kindheit und Jugend, teils im Internat, teils bei Onkel und Tante in Suffolk, verlebte. Jahre später, nach einer kurzen Saison in London, wo sie in die Gesellschaft eingeführt wurde, hatte sie Osborne Daubeny geheiratet, weil sie, so jung und naiv sie auch gewesen war, gewußt hatte, daß er ihr die Dinge bieten konnte, die sie begehrte: ein eigenes Heim, die Sicherheit, die Geld und gute Familie gewährleisten konnten, und, vor allem, Kinder.
    Aber die heißersehnten Kinder waren ausgeblieben. Ihre erste Schwangerschaft hatte mit einer Fehlgeburt im sechsten Monat geendet. Im Krankenhaus hatte man sie ihren kleinen, zu früh zur Welt gekommenen Sohn nicht sehen lassen. Sie bedauerte es noch immer, daß sie viel zu krank und geschwächt gewesen war, um sich durchzusetzen. Dann hätte sie wenigstens eine Erinnerung gehabt. Vier weitere Fehlgeburten folgten, die letzte im Krieg. Vier Jungen und ein Mädchen; jedem hatte sie insgeheim einen Namen gegeben. Manchmal träumte sie von ihnen, vor allem von ihrem ersten Kind, Stephen, das sie am längsten unter ihrem Herzen getragen hatte.
    In den acht Jahren seit Kriegsende hatte sich in Evelyn ein nagendes Gefühl der Enttäuschung darüber festgesetzt, daß das Leben ihre Erwartungen nicht erfüllt hatte. Statt daß neue Türen sich geöffnet hätten, hatten alte sich geschlossen. Ihr Vater war gestorben, und sie war nicht mehr schwanger geworden. Die ursprünglich kriegsbedingten Schwierigkeiten mit Swanton Lacy – der Mangel an Personal und an Geld und Material, um zu renovieren – blieben bestehen, wurden eher noch schlimmer. Während des Krieges hatte Osborne Teile des Besitzes verkaufen müssen, um die astronomisch hohen Steuern bezahlen zu können, die der Staat verlangte; vor einigen Jahren, als er wiederum Kapital gebraucht hatte, waren ein weiterer Pachthof und eine Reihe von Arbeiterhäusern den gleichen Weg gegangen. Der alte Stalltrakt, der im Krieg schwer beschädigt worden war, war immer noch nicht wiederaufgebaut; und der Garten, der so prächtig gewesen war, als Evelyn als junge Frau nach Swanton Lacy gekommen war, war trotz ihrer Bemühungen nicht vor der Verwahrlosung zu retten.
    Außerdem hatte sie das

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