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Das Erbe des Vaters

Das Erbe des Vaters

Titel: Das Erbe des Vaters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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und öffnete das Tor zum Vorgarten. Eine junge Frau erschien auf sein Läuten. Sie stellte sich als Anita Paynter vor. »Mein Vater ist bestimmt bald wieder da«, sagte sie. »Ich muß nämlich gleich ins Geschäft. Ich habe eine Blumenhandlung in Hungerford.«
    Anita Paynter trug ein rosafarbenes Baumwollkleid, und das blonde Haar fiel ihr in seidigen Wellen auf die Schultern herab. Ihr Gesicht war sorgfältig geschminkt, und als Caleb ihr auf einen Rundgang durch das Haus folgte, nahm er einen ziemlich aufdringlichen Duft an ihr wahr. Ihm fiel auf, daß sie an der linken Hand einen Verlobungsring trug.
    Als die Besichtigung zu Ende war und Caleb sein Notizbuch zuklappte, sagte sie: »Möchten Sie etwas trinken? Es ist schrecklich heiß.«
    Er folgte ihr in die Küche. Während sie Eiswürfel aus einem Metallbehälter klopfte, sagte er: »So ein Umzug geht einem immer ein bißchen an die Nieren, nicht? Wie lange haben Sie denn hier gewohnt?«
    »Zehn Jahre.« Sie goß Orangensaft in einen Krug.
    »Und vorher?«
    »In Swanton St. Michael. Kennen Sie das?«
    Er zuckte innerlich zusammen. »Sehr gut sogar. Ich wohne nur ein paar Kilometer außerhalb von Swanton.«
    »Ach, wirklich?« Ihr hübsches Gesicht mit den pinkfarbenen Lippen und den schwarzen Lidstrichen zeigte kaum Interesse.
    »In einem Haus namens Middlemere«, fügte er hinzu.
    »In Middlemere?« Sie reichte ihm ein Glas. »Über dieses Haus hat mein Vater ständig geredet.«
    Caleb, der plötzlich einen trockenen Mund bekommen hatte, trank einen großen Schluck aus seinem Glas.
    Sie bemerkte im Konversationston: »Dann wissen Sie sicher auch, daß der frühere Pächter, Mr. Cole, sich dort erschossen hat?«
    Er stellte das Glas ab. »Sie kennen die Coles?«
    »Ich kannte sie, ja. Natürlich.« Sie stellte den Krug mit dem Saft in den Kühlschrank und brachte mit einer kurzen Kopfbewegung ihr Haar wieder in Form. »Mein Vater führte das Lebensmittelgeschäft in Swanton. Romy Cole war in der Schule mit mir in einer Klasse.«
    Er sagte neugierig: »Waren Sie befreundet?«
    Sie zog einen kleinen Flunsch. »Wir haben uns dauernd gestritten. Wie das unter kleinen Mädchen so üblich ist, mit Haareziehen und Zungerausstrecken und dergleichen. Einmal hat sie mich in die Pferdetränke getunkt. Ich hatte ein neues Kleid an, und es war natürlich ruiniert. Mein Vater war wütend.«
    »Warum sind Sie aus Swanton weggezogen?«
    »Mein Vater ist krank geworden. Da sind wir hierhergezogen, und ich habe an der St. Faith-Privatschule angefangen.«
    »Ihr Vater war krank?«
    Zum ersten Mal verdunkelte sich das nichtssagend hübsche Gesicht. »Er hatte einen Nervenzusammenbruch. Wegen dem, was in Middlemere passiert war.«
    »Weil Mr. Cole sich erschossen hat?«
    Sie nickte. »Es war nicht seine Schuld, aber es hat ihn sehr mitgenommen.«
    »Das kann ich mir vorstellen«, sagte Caleb verständnisvoll. »Es war ja auch eine schlimme Geschichte. Aber jetzt geht’s ihm wieder gut?«
    »Die meiste Zeit, ja. Manchmal hat er noch schlimme Nächte. Aber Mr. Daubeny war ihm gegenüber wirklich sehr großzügig.«
    Caleb horchte auf. »Wie meinen Sie das?« fragte er.
    »Na ja, mit dem Laden und allem. Als mein Vater krank geworden ist, mußte er das Geschäft schließen und konnte die Miete nicht zahlen.«
    »Das Geschäft Ihres Vaters gehörte Mr. Daubeny?«
    »Natürlich.« Sie starrte Caleb verwundert an. »Dem hat doch fast alles in Swanton gehört.«
    »Aber was hat Mr. Daubeny –«, begann er und brach ab, als draußen die Haustür ging.
    Anita Paynter flüsterte hastig: »Das ist mein Vater. Sagen Sie nichts von den Coles. Das würde ihn nur aufregen.«
    An diesem Abend landete Caleb im Pub von Swanton St. Michael, wo er in Gesellschaft der knorrigen alten Bauern und der gelangweilten Jugendlichen ein paar Bier trank und seinen Gedanken nachhing.
    Natürlich ging ihm Pickering im Kopf herum, der Sündenbock mit dem kurzsichtigen, unschuldigen Blick und der kranken Mutter. In letzter Zeit hatte er immer wieder an einen Rekruten denken müssen, den er in Catterick gekannt hatte. Towler war ein dicklicher kleiner Bursche gewesen, linkisch, jedoch intelligent genug, um seine Unzulänglichkeit zu erkennen und ihre Folgen zu fürchten, aber angeborene Schwerfälligkeit und ein Mangel an Körperkoordination hatten ihn daran gehindert, etwas dagegen zu tun. Immer war er beim Marschieren außer Tritt; wenn er nicht seine Schnürsenkel verlegt hatte, dann ganz sicher seinen

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