Das Erbe des Vaters
und den Kingsway zur Themse und das Embankment entlang zur Blackfriars-Brücke. Sie nahm die Untergrundbahn nach Knightsbridge und ging zu Harrods, wo sie sich in der großen Parfumabteilung mit teuren Düften besprühen und sich von den noch verführerischeren Düften von Reichtum und Luxus einhüllen ließ. In Stratton gab es nichts dergleichen. Nicht einmal Romsey und Southampton konnten da mithalten. Sie war in den kargen Zeiten der Lebensmittelmarken und der hundertmal gestopften Strümpfe aufgewachsen, sie hatte keine Ahnung gehabt, daß es möglich war, so viele herrliche Dinge unter einem Dach zu finden. Sie starrte die Satinabendkleider und die Kristallkaraffen an und wagte nicht, sie zu berühren.
An einem sonnigen Nachmittag kamen Olive und Teresa mit in die Grünanlage auf dem Platz. Und dort erzählte ihr Olive von Mrs. Plummer.
»Mr. Trelawney hat ihr das Hotel vermacht.« Olives Stricknadeln klapperten. »Er war ein Freund von ihr.«
»Er war ihr Liebhaber.«
»Teresa!« Olive machte ein mißbilligendes Gesicht.
»Aber es ist doch wahr.« Teresa lag im Gras, den Rock hochgeschoben, um ihre Beine zu bräunen. »Alle wissen es.«
»Als Mr. Trelawney gestorben ist«, sagte Olive, »hat er Mrs. P. das Hotel hinterlassen. Den Nachtklub hatte sie damals schon.«
Teresa bemerkte tugendhaft: »Mr. Declan hat gesagt, keine anständige Frau würde sich in so einem Lokal blicken lassen. Unmöglich, wie es da zugeht. Nackte Frauen und alle möglichen komischen Leute.«
Olive runzelte die Stirn. »Nicht vor der Kleinen.«
»Ach, was, Romy ist kein kleines Kind mehr, stimmt’s, Romy? Erzähl mal von Mr. Trelawney, Olive. War er ein schöner Mann?«
»Was heißt schön«, sagte Olive wegwerfend. »Er hat Mrs. P. angebetet. Sie war damals eine tolle Frau, kann ich euch sagen.«
»Aber hat Mrs. Plummer Mr. Trelawney geheiratet?« fragte Romy.
Olive zählte Maschen. »… fünfzehn, sechzehn … Er wollte es gern, aber sie wollte nicht. Auf Knien hat er sie angefleht.«
Teresa kicherte. »Hat dein Mann dich auch auf Knien angefleht, ihn zu heiraten, Olive?«
»Len? Nein, der nicht.« Olive lächelte kokett. »Aber das heißt nicht, daß es nicht ein anderer getan hat.«
»Olive!« Teresa setzte sich auf. »Erzähl! Los, mach schon.«
»Ach, das ist lange her. Sehr lange. Das war noch bevor ich mit Len gegangen bin.«
»Hast du ihm einen Korb gegeben?«
»Er war Seemann«, sagte Olive sachlich. »Ihr wißt ja, wie die sind – eine Frau in jedem Hafen. Mein Len hatte eine gute, feste Anstellung in den Docks.«
Teresa sagte: »Mr. Fitzgerald ist der einzige Mann, den Mrs. Plummer je geliebt hat.«
»Wer ist Mr. Fitzgerald?«
»Ein richtiger Gauner«, antwortete Olive. »Johnnie Fitzgerald nennt sich Geschäftsmann, aber er ist ein Galgenstrick. Sie hat ihn im Klub kennengelernt – vor Jahren schon, im Krieg. Wenn Johnnie brav ist, kann man bei Mrs. P. so ziemlich alles erreichen. Aber wehe, er macht wieder seine alten Dummheiten – dann muß man sich in acht nehmen. Schön die Bilderrahmen abstauben und schauen, daß die Laken faltenlos sind.«
»Letztes Frühjahr«, berichtete Teresa in vertraulichem Ton, »kam Mr. Fitzgerald mal stockbetrunken ins Hotel, und Mrs. Plummer hat ihn rausgeschmissen. Sie haben sich gegenseitig das Geschirr nachgeworfen, und Mr. Fitzgerald hat ihr die schlimmsten Namen gegeben.«
»Einen Monat später war er wieder da und hat mit eingekniffenem Schwanz um Verzeihung gebettelt.« Das Klappern von Olives Stricknadeln setzte einen Moment aus. »Tja, Geld zieht immer.«
»Geld? Wieso?« fragte Romy.
»Ach, weißt du das nicht? Mrs. Plummer hat gesagt, daß sie Mr. Fitzgerald eines Tages das Hotel hinterläßt. Deswegen hält er sie sich warm.«
»Wenn der hierherkäme, würde ich auf der Stelle kündigen«, sagte Teresa. »Von dem Kerl würde ich mir nichts sagen lassen.«
»Sie hat keine Familie.« Olive klemmte eine Nadel unter den Arm. »Weder Kind noch Kegel. Wem sollte sie das Trelawney sonst hinterlassen? Ich meine, sie hat bestimmt noch ein paar Jahre vor sich, aber sie hat schon ein ziemlich flottes Leben geführt und nie was anbrennen lassen. Und recht hat sie gehabt, wenn du mich fragst, warum soll man das Leben nicht genießen, solange man kann?«
Teresa sagte träumerisch: »Mr. Trelawney ist an gebrochenem Herzen gestorben, stimmt’s, Olive? Weil Mrs. Plummer ihn nicht geheiratet hat.«
Olive lachte prustend. »Der ist am
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