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Das Erbe des Vaters

Das Erbe des Vaters

Titel: Das Erbe des Vaters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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geschah. Vielleicht, sagte sich Caleb, hatte bei Paynter damals »mitgehangen, mitgefangen« genauso gegolten, wie es heute bei Cottle, McAulay und Goddard galt. Vielleicht war nicht allein das Entsetzen über Samuel Coles Selbstmord die Ursache von Paynters Nervenzusammenbruch gewesen, sondern auch Schuldbewußtsein.
    Unsinn, dachte Caleb und schalt sich, seiner Phantasie die Zügel schießen zu lassen. Wenn Mark Paynter damals allein auf Daubenys Geheiß gegen die Coles vorgegangen war, dann würde das bedeuten, daß Daubeny den Leuten bewußt hatte Schaden zufügen wollen. Aus welchem Grund sollte Osborne Daubeny einem seiner Pächter solche Feindschaft entgegengebracht haben?
    Aber auch wenn Daubeny den Räumungsbefehl gegen die Familie Cole nicht direkt veranlaßt hatte, hatte er sie doch auch nicht geschützt, obwohl das gewiß in seiner Macht gestanden hätte. Er hatte seinen Pächter nicht vor der Schande und der Not bewahrt, die zwangsläufig mit dem Verlust Middlemeres einhergehen mußten. Warum nicht? Weil Cole, wie Daubeny erklärt hatte, in einer Zeit der nationalen Krise seinen Hof nicht ordentlich bewirtschaftet hatte? Oder vielleicht auch noch aus anderem Grund?
    Caleb trank den letzten Schluck Bier und bestellte sich einen Whisky. Er kannte Daubeny, solange er denken konnte. Der Mann war ihm gegenüber stets großzügig gewesen: In den Schulferien hatte es im Garten von Swanton Lacy immer Arbeit für ihn gegeben, und in den mageren Jahren während des Krieges und danach hatten die Daubenys seine Mutter und ihn regelmäßig mit Obst und Gemüse aus ihrem großen Nutzgarten versorgt. Caleb hatte von Mr. Fryer, dem Gärtner in Swanton Lacy, so viel gelernt, daß er mit den erworbenen Kenntnissen in Middlemere selbst einen Garten hatte anlegen können.
    Aber er hatte Daubeny trotz all seiner Großzügigkeit nie gemocht. Und er mochte ihn auch heute noch nicht. Das hatte nicht nur etwas mit ihren unterschiedlichen Lebenssituationen zu tun, mit Calebs Gefühl, daß er als Sohn von Mr. Daubenys Pächterin und Objekt seiner gelegentlichen Wohltätigkeit auf keinen Fall Anstoß erregen dürfe. Osborne Daubeny war ein zu kalter Mensch, zu selbstgefällig, allzusehr überzeugt von seiner eigenen Unfehlbarkeit, um bei anderen Zuneigung hervorzurufen. Caleb hielt Daubeny durchaus für fähig, Urteile zu fällen wie das, welches die Coles ins Verderben geführt hatte; er traute ihm ohne weiteres zu, daß er jemanden wegen einer ungestutzten Hecke oder eines morastigen Feldes verurteilte.
    Aber wenn der Grund für die Ausweisung der Coles so klar und eindeutig war, wie Daubeny angedeutet hatte, warum hatte er sich dann bemüßigt gefühlt, Mark Paynter nach seinem Nervenzusammenbruch wieder auf die Beine zu helfen? Wenn Gefühl bei seiner Entscheidung gegen die Coles keine Rolle gespielt hatte, wieso dann scheinbar bei seinem Bemühen um Mark Paynter? Immer vorausgesetzt, er hatte Paynter tatsächlich finanziell unter die Arme gegriffen, sagte sich Caleb. Das wußte er ja nicht mit Sicherheit; er stellte nur Mutmaßungen an. Vielleicht ging schon wieder die Phantasie mit ihm durch. Aber immerhin hatte Anita Paynter eigens betont, wie gut Daubeny zu ihrer Familie gewesen sei.
    Später am Abend, als Caleb auf etwas unsicheren Beinen den Fußweg hinunterging, der von der Landstraße nach Middlemere führte, hatte er plötzlich einen Einfall. Er würde Romy Cole ausfindig machen. Irgend jemand im Dorf würde sicher wissen, wohin die Familie verzogen war. Er würde Romy Cole aufsuchen und sie fragen, ob es zwischen ihrem Vater und Daubeny Streitigkeiten gegeben hatte. Und wenn das – wie anzunehmen war – nicht der Fall gewesen war, konnte er die Familie Cole vergessen. Er würde dieses Unglücksmädchen und ihre wahnsinnigen Beschuldigungen ruhigen Gewissens ad acta legen können.
    Als er über den Zauntritt klettern wollte, rutschte er aus und fiel in ein Brennesselgestrüpp. Schwerfällig rappelte er sich wieder auf und schlug den Weg zum Wäldchen ein, während seine Gedanken sich dringenderen Sorgen zuwandten. Gleich morgen früh würde er zu Mr. Wicksteed gehen. Kopf einziehen und Klappe halten . Die alte Parole galt nicht mehr.
    Sally, das Zimmermädchen, das wegen einer Blinddarmoperation krank geschrieben gewesen war, kam Ende August wieder zur Arbeit. Mrs. Plummer rief Romy in ihr Büro: Romy könne freitags und samstags im Restaurant und in der Cocktailbar aushelfen, sagte sie, und ihr während der

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