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Das Erbe des Vaters

Das Erbe des Vaters

Titel: Das Erbe des Vaters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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Stativ montiert war, zeigte zum Strand hinaus. Ornithologische Fachbücher standen in den Regalen, und an den Wänden hingen Photographien von Seevögeln. Muscheln, Stränge getrockneten Tangs und die papierdünnen, wabenartig untergliederten Eierbeutel von Meerestieren lagen wie von der Flut angespültes Strandgut auf Tischen und Böden.
    Vom Fenster aus sah sie unten eine Gestalt den Strand entlanggehen. Sie bemerkte das rote Haar und lief nach unten, wo sie sich durch ein Durcheinander von alten Sesseln und herumliegenden Büchern einen Weg zur Veranda bahnte. Von dort aus rief sie Psyches Namen.
    Psyche reagierte nicht, sondern ging weiter den Strand entlang. Hin und wieder sprang sie über die hereinrollenden Wellen.
    Stranddisteln und wilde Karden standen im Garten, der von einem niedrigen Zaun aus Treibholz umgeben war. Romy stieg über ihn hinweg und lief über den feinen Kies.
    Psyche war in einen langen marineblauen Umhang gehüllt. Sie hatte ihn fest um sich gezogen und hielt beide Hände unter das Kinn gedrückt, wo der Stoff sich bauschte. Hinter den rasch wandernden Wolken kam hin und wieder der Mond zum Vorschein, und in seinem milchigen Licht konnte Romy die Tränen auf Psyches Wangen erkennen.
    Leise rief sie: »Alles in Ordnung?«, und Psyche verzog den starren Mund zu einem Lächeln und versicherte: »Ja, ja, alles in Ordnung.« Sie zog die Brauen zusammen. Dann sagte sie plötzlich: »Es ist wegen Magnus. Ich wollte ihn gestern besuchen, und da war Susie bei ihm.« Psyche weinte heftiger.
    »Du meinst –« Romy versuchte, sich vorsichtig heranzutasten. »Du meinst, sie waren –«
    »Im Bett«, sagte Psyche. »Sie waren zusammen im Bett. Na ja, auf seinem gräßlichen Sofa. Aber sie waren – du weißt schon …« Schluchzend sagte sie: »Sie hat nicht mal ihr Oberteil angezogen. Und dabei ist sie so mager , Romy. Man sieht jede Rippe.« Psyche schneuzte sich. Dann ging sie weiter den Strand entlang und bückte sich hin und wieder, um eine Muschel oder einen Stein aufzuheben. »Ich weiß ja, daß ich nicht mit ihm verlobt oder verheiratet bin oder so, aber trotzdem – ich dachte immer …« Sie sprach nicht weiter. Wasser tropfte aus einem Büschel Tang, das sie in der Hand hielt.
    »Wie lange geht ihr schon miteinander, du und Magnus?«
    »Ach, was heißt miteinander gehen? Wir sind nie groß irgendwohin gegangen. Wir haben die meiste Zeit zu Hause gehockt.« Psyche schneuzte sich wieder und stopfte das Taschentuch dann in den Ärmel ihrer Strickjacke. »Ich hab Magnus das Abendessen gekocht. Und ich hab versucht, die Wohnung ein bißchen aufzuräumen, aber sie war immer so schnell wieder dreckig, daß ich’s aufgegeben habe. Außerdem mochte er’s nicht, wenn ich aufgeräumt habe, während er da war. ›Hör doch auf rumzufuhrwerken‹, sagte er immer. Er behauptete, ich würde ihn an seine Mutter erinnern.« Mit einem Ruck hob Psyche den Kopf und sah Romy an. »Hat er mich vielleicht als Glucke empfunden? Meinst du, daß ihn das abgestoßen hat? Die Freiheit ist ihm ja so wichtig. Aber mir ist dieser Saustall einfach auf die Nerven gegangen. Nie konnte man ein sauberes Messer oder einen frischen Teller finden. Und einmal, als wir zusammen im Bett waren, hab ich mich gestreckt und bin mit dem Fuß an was Kaltes, Klebriges gestoßen, und weißt du, was es war? Ein Stück Käsetoast. Ein angebissenes Stück Käsetoast!«
    Romy konnte nicht anders; sie mußte lachen.
    »Ja, ich weiß«, sagte Psyche, nun ebenfalls lachend. »Ich hatte danach immer Angst, worauf ich als nächstes stoßen würde – ich hab mich gar nicht mehr getraut, im Bett die Beine langzumachen.« Sie zog den Umhang fest um sich und blickte zum Meer hinaus. »Aber ich liebe ihn, Romy«, sagte sie traurig. »Ich liebe ihn wirklich.« Sie sah zum Haus zurück. Im oberen Fenster brannte Licht, und geisterhafte Klänge von Musik wurden durch die Luft getragen. »Ich geh jetzt besser wieder rein«, sagte sie. »Ich möchte nicht, daß die anderen denken, ich wäre beleidigt.«
    Sie kehrten zum Haus zurück. Psyche ging hinein, doch Romy setzte sich auf eine Bank im Garten und lauschte dem Meer, das an den Kieseln zerrte. Es wird schon alles gutgehen, sagte sie sich. Jem hat nur noch ein paar Monate, bis er entlassen wird, und dann kommt er auch wieder zu sich. Und ich bin Tom nur böse, weil ich so müde bin und mich so sehr um Jem sorge.
    Tom kam heraus, um sie zu holen. »Es ist kalt«, sagte er fröstelnd. »Und das soll

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