Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Erbe des Vaters

Das Erbe des Vaters

Titel: Das Erbe des Vaters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
Vom Netzwerk:
stocherte Magnus auf seinem Teller herum und sagte: »Eintopf! Das ist irgendwie symbolisch. So unglaublich und niederschmetternd britisch.«
    »Ich konnte nur auf der Platte kochen«, entschuldigte sich Psyche. »Ich finde, Eintopf schmeckt viel besser, wenn er im Rohr gemacht ist, aber die Klappe vom Rohr klemmt, die habe ich nicht aufgekriegt.«
    »Es schmeckt köstlich«, sagte Romy. Fleischstücke und Karotten schwammen in einer dicken Soße. Ihr Zorn schien sich zu einem harten Knoten zusammengezogen zu haben, der ihr auf den Magen drückte und ihr den Appetit verdarb.
    »Als ich in der Bretagne war«, erzählte Magnus, »gab es jeden Tag die tollsten Meeresfrüchte. Langusten, Krebse, Muscheln in Weißweinsoße. Aber Eintopf!« Er verzog angewidert den Mund, als er mit der Gabel ein Stück Niere aufspießte und es gleich wieder auf den Teller fallen ließ. »Es entspricht eigentlich genau der derzeitigen Mentalität dieses Landes. Engstirnig, stumpf und phantasielos.«
    »Es schmeckt wunderbar, Psyche«, wiederholte Romy. »Ganz hervorragend.«
    Magnus’ Augen, die hinter den dicken Brillengläsern geschrumpft und fischkalt wirkten, sahen Romy an. »Ist ja klar«, sagte er, »daß du den Status quo verteidigst. Ihr verhätschelt in eurem Hotel die reichen Nichtstuer, in dieser Welt ändert sich natürlich gar nichts.«
    Romy rammte ihr Messer in ein Stück Fleisch und wünschte, sie könnte es Magnus in die Rippen rammen. »Natürlich muß manches verändert werden«, sagte sie, »aber ich habe das Gefühl, dir fallen immer nur die negativen Dinge auf, Magnus. Aber nichts auf der Welt ist vollkommen.«
    »Okay.« Magnus lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. »Nenn mir eine gute Sache an England.«
    Psyche sagte: »Also, ich fand, die Krönung war wirklich schön. Die Queen hat so hübsch ausgesehen.«
    Magnus prustete geringschätzig. »Die Monarchie ist das Fundament des Establishments, Psyche. Ohne sie würde das ganze Gebäude einstürzen.«
    »Die Landschaft«, warf Tom ein. »Denk nur mal an die Dichter, die die englische Landschaft besungen haben. Wordsworth – John Clare –«
    Magnus wedelte wegwerfend mit den Händen. »Sie mag ja mal ganz schön gewesen sein, aber jetzt wird alles für Straßen und scheußliche Vorstädte umgepflügt. Bald wird ganz England in Autos und spießigen kleinen roten Backsteinkästen untergehen.«
    »Dir wäre es wohl lieber, wenn die Leute weiterhin in elenden Hütten hausen würden«, bemerkte Romy.
    »Natürlich nicht. Aber man könnte doch vielleicht erwarten, daß wenigstens einige der Architekten und Planer ein bißchen Geschmack an den Tag legen oder einen Funken Gefühl für den Charakter der Landschaft entwickeln. Aber diese endlosen Reihen von Sozialhäusern, die sich gleichen wie ein Ei dem anderen, das ist doch eine Beleidigung für das Auge.«
    Romy dachte an Hill View. An dem Tag, an dem sie in das Haus eingezogen waren, war sie ungläubig von Zimmer zu Zimmer gegangen, glückselig, endlich in einem Haus zu wohnen, wo es eine Innentoilette und fließendes heißes Wasser gab. »Für manche Menschen sind diese Häuser ein Gottesgeschenk«, sagte sie heftig. »Viele Familien sind froh und dankbar, in einem Sozialhaus wohnen zu dürfen. Und überhaupt – wie kommst du dazu, an Psyches Essen herumzunörgeln, wo sie sich solche Mühe gemacht hat? Das ist einfach schlechtes Benehmen.«
    Magnus antwortete mit seinem kurzen wiehernden Lachen. »Ein Hoch den bürgerlichen Werten, was, Romy? Hauptsache, die Leute sagen ›bitte‹ und ›danke‹, dann kann man alles, worauf es wirklich ankommt, unter den Tisch fallen lassen. Das ist typisch für Leute wie dich, Romy – euch geht’s nur darum, die Risse zu kitten. Im übrigen stört sich Psyche nicht im geringsten daran, was ich sage, stimmt’s Psyche?«
    Zu Romys Ärger nickte Psyche. »Nein, es stört mich nicht. Ehrlich nicht. Magnus meint es nicht so.«
    »Na?« sagte Magnus selbstzufrieden.
    Psyche richtete ihre großen blauen Augen voll blinder Bewunderung auf Magnus. Romy war wütend: auf Psyche, weil sie sich alles gefallen ließ, und auf Tom, weil er nicht für sie in die Bresche sprang.
    Und trotzdem. Sie dachte an Jem. Hau einfach ab , hatte sie ihn angeschrien. Laß mich in Frieden. Ich will dich hier nicht haben . Und alles wegen so einer albernen Gans, die ihre Bluse anprobiert hatte. Sie schämte sich.
    Als sie später nach Hause kam, war Jem wieder da. Das Zimmer war sauber und aufgeräumt, der

Weitere Kostenlose Bücher