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Das Erbe des Zauberers

Das Erbe des Zauberers

Titel: Das Erbe des Zauberers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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hatte sich Eskarina bereits an solche Visionen gewöhnt, und das Entsetzen wich zum größten Teil einem vertrauten Empfinden. Als sie sich auf einer glitzernden staubigen Ebene wiederfand und über sich fremde Sternbilder sah, wußte sie sofort, daß ihr ein neuer Alptraum bevorstand.
    »Verflixt!«, murmelte sie. »Na schön, wenn’s unbedingt sein muß… Zeigt euch, ihr Ungeheuer! Ich hoffe nur, daß ich mir nicht schon wieder euren Freund mit dem Schneckengesicht ansehen muß.«
    Doch diesmal schien sich die allgemeine Choreographie verändert zu haben. Als sich Esk umdrehte, fiel ihr Blick auf ein großes schwarzes Schloß. Die Türme reichten bis zu den Sternen empor. Helles Licht und strahlende Blitze glänzten, und von den hohen Wehrgängen ertönte bezaubernde Musik. Das aus zwei Flügeln bestehende große Tor stand einladend offen. Alles deutete darauf hin, daß in der dunklen Bastion ein fröhliches Fest stattfand.
    Esk stand auf, strich sich silbernen Sand vom Kleid und ging los.
    Sie hatte das Tor fast erreicht, als es sich plötzlich schloß. Eigentlich bewegte es sich überhaupt nicht: In der einen Sekunde war es weit geöffnet, und in der nächsten bildete es eine hohe Barriere vor dem Mädchen. Ein grollendes Donnern hallte über die eintönige Landschaft und erschütterte den Horizont.
    Esk streckte die Hand aus und berührte die riesige Pforte. Die Schwärze schien das Licht zu schlucken und fühlte sich noch kälter an als Gletschereis. Rauhreif bildete sich auf dem Tor.
    Eskarina hörte etwas und wandte sich um. Der Zauberstab – er sah jetzt nicht mehr wie ein Besen aus – stand aufrecht im Sand. Kleine Würmer aus funkelndem Glühen krochen über das polierte Holz und die Schnitzmuster, die niemand genau erkennen konnte.
    Das Mädchen griff nach dem Stab und hämmerte damit an die große Doppeltür. Oktarine Funken stoben, doch das nachtschwarze Metall zeigte nicht einmal einen Kratzer.
    Esk kniff die Augen zusammen. Erneut hob sie den Zauberstab und konzentrierte sich, bis ein dünner Strahl aus geballter Magie über das Tor glitt. Die dünne Eisschicht darauf verdampfte, aber die Dunkelheit – inzwischen war Esk sicher, daß es sich nicht um Metall handelte – nahm die thaumaturgische Energie auf, ohne irgendeine Wirkung zu offenbaren. Das Mädchen strengte sich noch mehr an: Die Hälfte der im Stab gespeicherten Zauberei entlud sich in einem so grellen Blitz, daß Eskarina die Augen schließen mußte und dennoch geblendet wurde.
    Dann verblaßte das Glitzern.
    Nach einigen Sekunden trat Esk zögernd vor und berührte vorsichtig das Tor. Die Kälte gefror ihr fast die Fingerkuppen.
    Und im Bereich der Zinnen weit oben kicherte jemand. Ein eindrucksvolles lautes Dämonenlachen mit vielen dumpfen Echos wäre nicht annähernd so schlimm gewesen wie dieses schadenfrohe Höhnen.
    Es hielt eine ganze Weile an, und Esk konnte sich nicht daran erinnern, jemals ein gräßlicheres Geräusch vernommen zu haben.
    Sie erwachte schaudernd. Es war lange nach Mitternacht, und die Sterne wirkten kalt und klamm. Eskarina fühlte sich von einer geschäftigen, geradezu hektisch anmutenden Stille umgeben, verursacht von vielen pelzigen kleinen Tieren, die nach einem späten Abendessen Ausschau hielten und gleichzeitig versuchten, nicht zum Hauptgang zu werden.
    Ein sichelförmiger Mond neigte sich dem Horizont entgegen, und am Rand der Scheibenwelt zeigte sich matte Gräue. Sie deutete entgegen aller Wahrscheinlichkeit darauf hin, daß ein neuer Tag begann.
    Jemand hatte Eskarina in eine Decke gehüllt.
    »Ich weiß, daß du wach bist«, erklang die Stimme von Oma Wetterwachs. »Du könntest dich nützlich machen und ein Feuer anzünden. Holz gibt’s hier genug.«
    Esk setzte sich auf und griff nach einem Zweig des Wacholderbusches. Sie fühlte sich leicht genug, um einfach fortzuschweben.
    »Ein Feuer … anzünden?«, murmelte sie.
    »Ja«, erwiderte die alte Hexe verdrießlich, »du weißt schon, was ich meine. Du brauchst nur die Hand auszustrecken, und schon züngeln Flammen in die Höhe.«
    Sie hockte auf einem Felsen und versuchte, eine Sitzhaltung zu finden, die nicht den Unwillen ihrer Arthritis erregte.
    »Ich glaube, das kann ich nicht.«
    »Ach?«, erwiderte Granny. Es klang tadelnd.
    Sie beugte sich vor und legte Esk die Hand auf die Stirn. Das Mädchen hatte ein Eindruck, von einer mit heißen Würfeln gefüllten Socke berührt zu werden.
    »Du hast Fieber«, stellte Oma Wetterwachs fest.

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