Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Erbe des Zitronenkraemers

Das Erbe des Zitronenkraemers

Titel: Das Erbe des Zitronenkraemers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Kirchen
Vom Netzwerk:
pflügte sich mit den Ellbogen einen Weg. Er flüchtete so schnell er konnte vom Friedhof, nur von dem Gedanken beseelt, schnellstens diesen Ort hinter sich lassen zu können. Wenigstens war außer ihm kein Mensch auf der Straße. So würde er gleich nur Anne Rede und Antwort stehen müssen, warum er aussah, als habe er sich fröhlich in einer Sausuhle gewälzt. Hannes ersann fieberhaft ein Lügenmärchen, welches er Anne aufzutischen gedachte, als ihm bewusst wurde, dass halb Bekond seiner unfreiwilligen Showeinlage beigewohnt hatte; diese Nachricht würde sich ohnehin wie ein Lauffeuer im Dorf verbreiten. Also könnte er auch gleich die Wahrheit erzählen. Noch immer konnte er nicht fassen, was ihm soeben widerfahren war. Wie in einem schlechten Film. Fehlt nur noch Frank Elstner, der grinsend von oben „Verstehen Sie Spaß“ grölt. Nein. Das kann nur eins bedeuten: Das war kein Zufall, kein makabrer Scherz. Das war eine Warnung. Der Kerl ist also doch hinter mir her. Immer noch. Er hat nicht aufgegeben.
    Trotz der Kälte nass geschwitzt kam Hannes endlich atemlos zuhause an. Erleichtert schloss er die Tür auf und wurde von niemandem begrüßt. Schuhe und Mantel ließ er einfach im Flur liegen und schlich auf nassen Socken ins Wohnzimmer. Anne kuschelte in einem unmöglichen zartrosa Hausanzug mit Paula im Arm auf der Couch. Paula zeigte wenigstens die Höflichkeit, kurz den Kopf zu heben, um ihre Schnauze dann mit einem hörbaren Grunzen wieder unter Annes Ellbogen zu vergraben. Das graue Päckchen auf dem Tisch bemerkte Hannes nicht.
    „Bin wieder da“, ließ Hannes ermattet verlauten und wurde dafür mit einem Blinzeln von Annes grünen Augen belohnt. Schlaftrunken rappelte sie sich hoch, was Paula ihrerseits als Unverschämtheit empfand. Die Hündin zog beleidigt grummelnd unter den Tisch ab. „Ist der Leichenschmaus schon vorbei?“, meinte Anne herzhaft gähnend. „Wie siehst du überhaupt wieder aus, Hannes Harenberg?“ Plötzlich hellwach blitzte ihr das blanke Entsetzen aus dem Gesicht. Hannes ließ sich auf einen Sessel sinken. „Beim Leichenschmaus war ich nicht. Wobei – wahrscheinlich werde ich trotzdem dort das Gesprächsthema Nummer 1 sein. Kein Mensch wird sich über Martin unterhalten.“
    „Was hast du wieder angestellt?“ „Bin ins Grab gefallen.“ Hannes‘ Antwort sollte beiläufig klingen, verfehlte aber ihre Wirkung gänzlich. „Bitte, was?“ Anne war vom Sofa aufgesprungen, was Paula dazu veranlasste, den Raum nun ganz zu verlassen. „Es war alles glitschig und rutschig vom Regen, und da bin ich beim Versuch des Segnens ins offene Grab gepurzelt.“ Hannes versuchte es mit einem Lachen. „Tolle Nummer, was?“ Den Tritt erwähnte er mit keiner Silbe.
    Anne kam mit mitleidigem Blick auf ihn zu und umarmte ihn. „Du machst aber auch immer Sachen. Das muss doch schrecklich gewesen sein!“ „Na ja, um eine Erfahrung reicher“, meinte Hannes weise.
    „Ich lasse dir jetzt ein heißes Bad ein“, bestimmte Anne. Hannes‘ Blick fiel auf das Päckchen. „Was ist das?“ „Keine Ahnung, lag vor der Tür, als ich mit Paula vom Spaziergang zurückkam. Gott sei Dank gerade noch rechtzeitig, bevor der Regen losging.“
    Hannes nestelte mit fahrigen Fingern an der Verpackung herum. Sein Herz setzte kurzzeitig aus, als er darin ein kleines Holzkreuz mit seinem eingebrannten Namen darauf fand. Zittrig entfaltete er das beigelegte Blatt Papier. Wie durch Watte hörte er Anne im Bad hantieren. Er stierte auf den Zettel. Das Blatt war mit einer schrägen eckigen Handschrift versehen. „Wie war das Probeliegen?“, stand darauf geschrieben, „gewöhn‘ dich schon mal daran, wirst bald dort einziehen.“
    Hannes schluckte, seine Kehle war staubtrocken. Er hörte Anne zurückkommen. Schnell packte er die Sachen wieder in das Päckchen und spielte gute Laune. „Super Idee mit dem Bad! Werde mich gleich reinhauen.“ Er hoffte, Anne würde seine zittrige Stimme nicht bemerken.
    „Was war denn in dem Päckchen?“, wollte Anne wissen.
    „Ach, nichts Wichtiges“, erwiderte er schnell. „Nur die Aufteilung für den nächsten Arbeitseinsatz im Revier. Ich bringe es schnell noch hoch.“ Oben angekommen sperrte Hannes das Päckchen hastig in seinen Waffenschrank. Gleich am Montag werde ich damit zu Kommissar Lenz fahren. Vielleicht können die ja irgendetwas damit anfangen. Irgendetwas analysieren oder so. Wie im Fernsehen, wenn sie die dollsten Dinge aus einem Teppichfussel herauslesen

Weitere Kostenlose Bücher