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Das Erbe des Zitronenkraemers

Das Erbe des Zitronenkraemers

Titel: Das Erbe des Zitronenkraemers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Kirchen
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geben! Wo treibt er sich nur herum? Sein Handy ist seit Tagen ausgeschaltet! Hoffentlich wird er bald gefunden.“
    Hannes und Anne warfen sich einen verstohlenen Blick zu. Claire glaubte immer noch nicht, dass ihr Mann irgendetwas Böses im Schilde führte.
     
    Chronik der Familie Steinmetz, Teil IV
    Düsseldorf, im Jahre 1696
     
    De Largillière stand reglos. Das streichende Geräusch des Pinsels, der über die Leinwand fuhr, war verstummt. Jacob saß da und blickte zu Boden.
    Der Maler trat auf ihn zu. „So kann ich Euer Gesicht nicht sehen.“ Sanft hob er Jacobs Kinn nach oben. „War er derjenige, der Ambrosius getötet hat?“, fragte er ihn und blickte Jacob direkt in die Augen. „Denn dann war Euer Mord gerecht. Verzagt nicht länger. Erzählt mir von Ambrosius‘ Tod. Das wird Euch befreien, glaubt mir. Es wird Euch befreien von der Schmach und dem Schrecken. Erlösen von Eurer Last.“
    Und Jacob ließ endlich die Erinnerung zu. Er schloss seine Augen, und mit einem Mal sah er alles deutlich vor sich. All das, was er so lange nicht an die Oberfläche gelassen hatte. Er sah Ambrosius, wie er lachend auf dem Kutschbock saß. Und er hörte seine Stimme …
     
    Ambrosius strahlte mich an. „Du wirst begeistert sein von Italien“, meinte er. „Der tiefblaue See inmitten von Bergen, so hoch, wie Du sie noch nie gesehen hast. Und von unserer Zitronenplantage aus hat man bei gutem Wetter sogar Sicht auf den Monte Legnone, den höchsten Berg von allen!“
    Doch ich lächelte nur gequält zurück, und er fragte mich, warum ich so missmutig dreinblickte. Da er aber auf den steinigen Weg achten musste, drehte sich Ambrosius auf dem Kutschbock wieder nach vorne.
     
    Ich jedoch gab keine Antwort, sondern vergrub mich in der untersten Stelle des Wagens, um eine halbwegs stabile und bequeme Position zwischen den geladenen Weinfässern einzunehmen. Eines der Fässer enthielt keinen Moselwein, sondern den Schmuck. Ambrosius‘ Schatz, der ihm zu Reichtum und Wohlstand verholfen hatte. Irgendwie musste ich mein Bein anders platzieren. Jedes Ruckeln des Karren auf dem steinigen und unebenen Weg versetzte mir einen brennenden Schmerz, gleich einem Messerstich in den Knochen.
    Aber ich musste diese furchtbar lange Reise auf mich nehmen, um den Schatz in Sicherheit vor den französischen Belagerern zu bringen; nach Italien. In das Dorf Lenno am Comer See, Ambrosius‘ alte Heimat.
    Meine Schmerzen hatte ich wohlweislich vor Ambrosius verborgen. Hätte er von meinen Qualen gewusst, so hätte er mich nicht mitreisen lassen.
    Aber Ambrosius alleine zu lassen, wäre niemals für mich infrage gekommen. Stets war er wie ein Vater für mich gewesen.
    Vor nunmehr 31 Jahren hatte Ambrosius mich aufgenommen. Mit meinem versehrten Bein hätte ich bei den Steinmetzen keinen Fuß auf den Boden bekommen. Ohne Ambrosius‘ Beistand wäre ich daher nicht nur ein Krüppel, sondern wäre auch als Bettler geendet.
    Dann, unversehens, hörte ich Ambrosius schreien. Mit einem plötzlichen Ruck kam der Karren zum Stehen, und die schweren Weinfässer lösten sich aus ihrer Verankerung. Ich erstickte meinen eigenen Schrei, als ich von einem der Fässer mit voller Wucht getroffen und darunter begraben wurde.
    Es ging alles ganz schnell. Durch einen Spalt in den Seitenbrettern des Karrens erblickte ich zerlumpte Gestalten, bewaffnet mit Messern und Äxten. Sie trugen Tücher über Mund und Nase gebunden. Ich sah hilflos mit an, wie Ambrosius durch das Gras geschleift wurde; sein Kopf hing leblos zwischen den Schultern herab. Die Männer schrien und brüllten.
    Wie von Sinnen vor Angst und Zorn zerrte und drückte ich an dem schweren Fass, von dem ich eingequetscht war. Ich musste Ambrosius zu Hilfe eilen, irgendwie!
    Dann endlich ein letzter Ruck. Das Fass polterte weiter, und so schnell ich konnte sprang ich auf.
    Gerade früh genug, um sehen zu können, was ich mein Leben lang nicht mehr aus meinem Gedächtnis löschen konnte: wie die Axt auf Ambrosius hinabsauste. Mit einem hohen Surren zerschnitt sie die Luft. Dann hörte ich dieses entsetzliche Geräusch, dieses Geräusch von Eisen auf Knochen und Fleisch.
    Ich schrie. Ich sah die Axt zur Hälfte in Ambrosius‘ Kopf stecken. Ambrosius sank wie ein nasser Sack zu Boden. Ich blickte in die Augen der verdutzten Wegelagerer. Für einen Augenblick blieb die Welt stehen. Dann stürmten die Mörder brüllend in meine Richtung, hin zum Karren, um auch mich zu holen und mir den Garaus zu

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