Das Erbe Ilvaleriens (Die Chroniken von Vanafelgar) (German Edition)
eigentlich nichts aus, bei einer Operation zuzusehen, trotzdem war es ihm unwohl dabei und lieber hätte er in der stinkenden Stube gewartet, bis Whenda fertig war. Beide sahen, wie Tomos den Kopf seiner Tochter streichelte und ihr eine Melodie vorsummte.
Whenda trat auf ihn zu und legte ihm die Hand auf seine Schulter. »Du wartest besser vor der Tür.«
Tomos stand auf. »Hat sie überhaupt noch eine Chance durchzukommen?«, wollte er von Whenda wissen, bevor er ihrer Aufforderung nachkam.
Die Anyanar sah ihn an und sagte zuerst nichts, denn sie fand nicht die richtigen Worte für den Mann. Sie war sich auch nicht sicher, ob das Mädchen wirklich überleben würde, denn es war vielleicht schon zu geschwächt. Vor zwei, drei Tagen hätte sie dies uneingeschränkt bejahen können. Aber die Entzündung war inzwischen schon sehr weit fortgeschritten. »Hoffnung gibt es immer«, sagte sie schließlich und Tomos ging zur Tür. Dort bedankte er sich bei Turgos noch einmal dafür, dass dieser die Waren auf dem Markt für ihn bezahlt hatte. Turgos wiegelte jedoch ab. Whenda vermutete, dass der arme Mann sich sicher schon den ganzen Rückweg vom Markt bis zu seinem Haus bei Turgos bedankt hatte. Dann hatte er den Raum verlassen und die Türe hinter sich geschlossen.
Whenda entledigte sich nun ihres Umhangs und zog auch das Oberteil ihrer Rüstung aus, damit sie mehr Bewegungsfreiheit hatte. Turgos tat es ihr gleich und suchte nach einem Platz, an dem er seine Kleidung ablegen konnte. Der Boden erschien ihm einfach zu schmutzig und er hatte Angst, dass seine Kleidung den Geruch des Hauses annehmen könnte, wenn sie damit in Berührung kam. Doch dann kam er sich dabei selbst etwas lächerlich vor. Hier lag ein Kind im Sterben und er machte sich Gedanken darüber, dass seine Kleidung zu stinken begann.
Whenda bat ihn, das Bein des Mädchens emporzuheben, damit sie darunter eines der weißen Tücher ausbreiten konnte, die Turgos gekauft hatte. »Dies mache ich nicht, um die Wunde rein zu halten, sondern das Tuch dient nur dem Zweck, dass sich der Fuß besser von seiner Umgebung abhebt und ich mich dadurch besser auf meine Arbeit konzentrieren kann«, erklärte sie.
Turgos stellte nun die Frage, die ihn schon bewegte, seit sie ihn zum Markt geschickt hatte. Doch er formulierte sie etwas zurückhaltender, als er es eigentlich vorgehabt hatte. »Ich wusste gar nicht, dass du eine jener Heilerinnen bist, die auch mit dem Messer umgehen können?« Denn in der Tat gab es auch in Schwarzenberg nicht viele, die dies konnten.
» Du weißt vieles nicht von mir«, gab sie zurück und schien ihm sehr konzentriert zu sein. Mit dieser Erklärung ließ es Whenda bewenden und nahm eines jener drei Messer in die Hand, die sie mit anderen kleinen Instrumenten sorgfältig auf das weiße Tuch neben den Fuß des Kindes gelegt hatte.
» Soll ich sie festhalten?«, wollte Turgos nun wissen. Er hatte sich schon innerlich darauf eingestellt, dass das Kind sicher aus dem Fieberschlaf erwachen und fürchterlich schreien würde, wenn sie ihm ins Fleisch schnitt.
» Nein, hebe nur den Fuß etwas an, ich habe sie betäubt«, gab ihm Whenda zur Antwort.
Turgos wusste zwar nicht, welches Betäubungsmittel so stark sein sollte, dass es hier wirken konnte, doch die Anyanar war voller Überraschungen und er hatte keinen Grund, an ihren Worten zu zweifeln. Als Whenda dann in den Fuß schnitt, zuckte das Mädchen nicht einmal. Selbst nach einer Stunde, als jene sich mit ihren Messern dem gesunden Fleisch näherte, zeigte die Patientin keinerlei Regung. Darüber war Turgos sehr froh. Er hatte die ganze Zeit befürchtet, dass das Kind erwachen würde.
Whenda wusste nicht, wie lange sie schon an dem Fuß herumoperierte, doch Turgos entzündete schon die Kerzen, da die Sonne weitergewandert war und nicht mehr durch die Fenster hereinschien. Whenda arbeitete die ganze Zeit sehr zielstrebig und war hoch konzentriert. Turgos sah ihr die ganze Zeit zu und bewunderte ihre Arbeit. Auch er als Laie konnte erkennen, dass dies nicht die erste Operation war, die Whenda durchführte. Das Einzige, was ihn störte, war das Geräusch, das die Klingen der kleinen Messer verursachten, wenn sie über die Knochen schabten. Aber auch dies war nichts im Vergleich zu einem schreienden Kind und dessen Weinen, das er eigentlich erwartet hatte. Allenthalben streute Whenda etwas von einem rötlichen Pulver auf das blutende Fleisch, und sie sagte ihm, dass dieses Pulver die
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