Das Erbe Ilvaleriens (Die Chroniken von Vanafelgar) (German Edition)
Tankrond sie verschaukelte. Tatsächlich holten sie häufig Pferde auf der Burg von Schwarzenberg ab, die dort gezüchtet wurden, und verkauften sie dann in fremden Landen. Soweit sie wusste, erhielt ihr Vater dafür zwei von zehn Silberstücken und manchmal sogar noch mehr. Deshalb konnte es auch durchaus sein, dass einmal des Nachts noch Pferde von der Burg geholt werden mussten, damit sie noch mit dem nächsten Schiff auf ihre Reise gehen konnten.
» Los, erzähl weiter.« Sie stieß Tankrond an, der gerade eine Pause machte. Sie konnte sich zwar schon denken, von wem der Geruch in den Ställen stammte, doch wollte sie es von ihrem Cousin hören.
» Ich spürte auf einmal irgendwie, dass ich nicht alleine im Stall war. Es schien mir, als würde mich aus dem Dunkel heraus etwas beobachten. Kennst du dieses Gefühl?«
Fenja nickte. Eigentlich gab es wohl niemanden, der dies noch nicht bei irgendeiner Gelegenheit empfunden hatte.
»Ich verhielt mich dann weiter ganz ruhig und versuchte auch, so wenig und leise wie möglich zu atmen. Einige Zeit lauschte ich in die Dunkelheit des Stalls hinein, doch ich konnte nichts anderes hören als jene Geräusche, die die Pferde verursachten. Nur dieser angenehme Duft war hier fehl am Platz. Er war es dann auch, der mich zu der Überlegung brachte, dass seine Quelle nicht sehr weit entfernt von mir sein konnte. So entschloss ich mich, wieder aufzustehen. Ich wollte nach draußen gehen und mir eine der Öllampen holen, die an den Außenmauern der Ställe hingen und den Platz dort mehr schlecht als recht erleuchteten.
Bevor ich jedoch den Stall verließ, rief ich in die Dunkelheit, ob da jemand sei. Ich hätte nie mit einer Antwort gerechnet. Doch sie kam. Eine leise Stimme, ich erkannte sie sofort als die eines Mädchens, antwortete: ‚Bitte, verrate mich nicht, niemand darf wissen, dass ich hier bin .‘ Ich ging dann in die Richtung, aus der ich die Stimme zu vernehmen glaubte. Und da meine Augen sich mittlerweile gut an die Dunkelheit gewöhnt hatten, konnte ich sie schon nach einigen Schritten als Umriss ausmachen.
Ich fragte sie: ‚Was machst du denn hier mitten in der Nacht ?‘ Sie gab mir zur Antwort, dass sie gerne alleine war und es mochte, wenn keine anderen um sie herum waren. Dann fragte sie mich nach meinem Namen, den ich ihr auch nannte. Doch als ich sie nach dem ihren fragte, zögerte sie zuerst. Aber dann antwortete sie. Sie hieß Valralka. Der Name kam mir zwar sonderbar vor, doch wie du weißt, war ich damals ja erst ein Jahr zuvor zu euch nach Schwarzenberg gekommen. Wenn es überhaupt schon ein ganzes Jahr war. Und daher war für mich sowieso vieles hier neu. Und dass zu jener Zeit die Gesandtschaft aus Maladan in der Stadt war, wusste ich auch nicht, wenn ich mich recht entsinne.
Und so unterhielten wir uns in der Dunkelheit über dies und das, bis dein Vater kam, um nach mir zu rufen. Doch als ich ging, bat sie mich, dass ich in der nächsten Nacht doch wiederkommen solle, denn sie habe keine Spielgefährten und sei immer alleine.
Ich wusste damals, dass deine Eltern dies nie erlauben würden. Trotzdem sagte ich ihr zu. Und so trafen wir uns in der nächsten Nacht kurz nach der zwölften Stunde wieder im Stall der Burg. Doch in dieser Nacht verließen wir den Stall und gingen im Schutze der Dunkelheit hinter der Burg zu den Häusern der Toten. Ich war mir sicher, dass wir dort ungestört spielen könnten – wer würde schon des Nachts dorthin kommen?«
Fenja hörte fasziniert der Geschichte ihres Cousins zu, der nun einfach drauflosredete, ohne seine Sätze vorher abzuwägen. Tankrond war es ein Bedürfnis, sein großes Geheimnis endlich mit jemandem teilen zu können. Er spürte eine solche Erleichterung, während er sprach! Die Anspannung und Furcht vor der heutigen Nacht schienen von ihm abzufallen.
»Weil es eine mondhelle Nacht war, sah ich sie bei den Häusern der Toten zum ersten Mal richtig. Erst jetzt konnte ich sehen, dass sie kein Mensch war, sondern zum Volke der Anyanar gehörte. Nur ihre Haut war viel dunkler als die der anderen Anyanar, die ich bisher gesehen hatte. Da ihr Haar schwarz war, ging sie mir zuvor noch als ein Mädchen aus den Thainlanden durch.
Damit war dann auch der Moment gekommen, wo ich sie nach ihrer Herkunft fragen musste. Sie schien dies nicht zu stören und bereitwillig erzählte sie mir, wer und was sie war. Sie sagte mir auch, dass sie keine gleichaltrigen Freunde habe und die meiste Zeit mit dem Studium
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