Das Erbe Ilvaleriens (Die Chroniken von Vanafelgar) (German Edition)
hochgezogen?«, wollte Arumar wissen. Er erhielt jedoch keine Antwort. Seine Geschwister und Tankrond sahen auch nur verwundert zu dem Banner hin. Tankrond war es schließlich, der auch zurück zur Burg von Schwarzenberg sah und erkannte, dass die Flaggen auch dort auf halbmast gesetzt waren. Bevor sich die Kinder jedoch weitere Gedanken über den Grund dieser Beflaggung machen konnten, kam erneut ein starker Windstoß. Fenja wäre fast von der Mauer geweht worden, auf der sie mit Tankrond stand. Doch ihr Cousin griff geistesgegenwärtig nach ihr und verhinderte so, dass sie hinunterfiel. Sie bedankte sich mit einem Lächeln.
» Sollen wir es nun einmal bei den Anyanar versuchen, ob sie uns auf eines ihrer Schiffe lassen, oder nicht?«, fragte Ferlon. Doch nur Tankrond stimmte zu. Als er von der Mauer heruntersprang, sahen jedoch auch Arumar und Fenja dies als das Zeichen zum Aufbruch an. Die Kinder folgten Tankrond hinunter zum Kai, an dem die Schiffe aus Maladan festgemacht hatten. Nur wenige Schiffe nutzten das Tiefbecken des Hafens, selbst Elgar besaß nur eines, das einen so großen Tiefgang hatte. Die Kinder wussten, dass die Liegesteuer in dem Tiefbecken die teuerste war. Trotz allem Unmut darüber hatte ihnen Elgar erklärt, dass es die Baronie auch viel Zeit und Geld gekostet hatte, jene Stelle des Hafens so weit zu vertiefen, dass auch die größten Schiffe, welche die Meere von Vanafelgar befuhren, dort vor Anker gehen konnten.
Als die Kinder die Anlegestelle des ersten Schiffes der Anyanar erreicht hatten, gingen sie zu dem von Seilen gehaltenen Holzsteg, der auf das Schiff hinaufführte. Dort angelangt wurden sie jedoch von der hölzernen Figur einer Frau in ihren Bann gezogen, welche aus dem Bug des Schiffes herauszuwachsen schien. Die Frau war in eine Rüstung gekleidet, wie die Kinder sie nie zuvor gesehen hatten. Ihr Antlitz war von einer übermenschlichen Schönheit, wie alle fanden. Die Anyanar waren weit geübter in den schönen Künsten als die Menschen von Schwarzenberg oder der Fernen Gestade, dachte Tankrond beim Anblick der Statue. Auch die Farben, die sie benutzt hatten, um die Frau anzumalen, waren von einer vortrefflichen Schönheit, die den Betrachter glauben machte, dass die Frau lebendig war. Doch eines verwunderte Tankrond. In der rechten Hand hielt die schöne Frau einen groben Hammer, wie ihn auch die Schmiede Schwarzenbergs benutzten, wenn sie ihrem Tagewerk nachgingen. In der linken jedoch hielt sie eine Schriftrolle.
» Das ist die hohe Antariya, Kinder, gefällt euch ihr Anblick?«
Alle zuckten zusammen, denn einer der Anyanar war von dem großen Schiff zu ihnen heruntergekommen , in ihrem Erstaunen über die Holzfigur hatten sie sein Kommen nicht bemerkt. Nun erkannte Tankrond jedoch, dass der Mann nicht vom Volke der Anyanar war. Er war ein Mensch, genau wie er selbst.
» Du bist kein Anyanar«, entfuhr es Tankrond, der zum Sprecher der Kinder geworden war.
Der Mann sah Tankrond gütig an und er erschien ihm sogar noch stattlicher, als die Anyanar es eigentlich waren. »Sollte ich denn einer sein?«, fragte der Mann, der etwas belustigt zu sein schien.
» Äh, nein, aber was tust du dann auf dem Schiff der Anyanar?«, fragte Tankrond den Soldaten, dessen Rüstung keinen Zweifel daran ließ, dass er zu den Anyanar gehörte.
Der Mann sah Tankrond freundlich an. »Weißt du denn nicht, dass dem König der Vanäer auch Menschen untertan sind?« Bei diesen Worten legte er die Stirn in Falten und schien sich über die Unwissenheit des Jungen zu wundern. »Wie heißt du, mein Sohn?«
» Tankrond.«
» Dann höre, o Tankrond aus den Thainlanden. Ich bin Geldos aus Herongan und komme aus der Stadt Karia, die am fast gleichnamigen Fluss Karion liegt.«
Vom größten Strom Vanafelgars hatte Tankrond natürlich schon gehört. Neithar hatte ihnen beigebracht, dass dieser die Lande der Varia und das Königreich der Vanäer trennte. Im Norden, dort, wo der Karion aus den Gebirgen herabstürzte, sollte es sogar Menschen geben, die von ganz schwarzer Hautfarbe waren. Neithar behauptete gar, dass er einmal einige dieser Menschen, die er Suulat-Velul nannte, gesehen hätte, als sie durch Tolmoor zogen.
Geldos, der merkte, dass der Junge keine Anstalten machte, etwas zu sagen, fuhr fort. »Die meisten Menschen, die den König von Maladan ihren Herren nennen, leben in Antarien, in Herongan, wo ich herkomme, und in Gan Isia. Doch wenn ihr aus den Thainlanden uns nicht bald Beistand
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