Das Erbe Ilvaleriens (Die Chroniken von Vanafelgar) (German Edition)
darin verschwunden waren, versuchte er, die Teile wieder miteinander zu verbinden. Er wunderte sich selbst darüber, wie einfach ihm dies gelang. Sie ließen sich sehr einfach und ohne Widerstand ineinanderstecken. Sobald die beiden Hälften erneut ein Ganzes bildeten, wurden sie auch wieder eins miteinander, wie es schien. Nach dem Zusammenfügen konnte er keine Nahtstelle mehr erkennen, nicht einmal im hellen Mondlicht. Verwundert gab er Ralka die Halskette. Sie sollte sehen, dass die Geschichte, die er ihr zuvor erzählt hatte, nicht erfunden war. Auch der Prinzessin gelang es nicht, eine Verbindungsstelle zwischen den Hälften auszumachen. Selbst als sie mit den Fingern über das Röhrchen strich, war dort nichts mehr zu ertasten, das auf eine Verbindung hindeuten konnte.
» Seltsam«, murmelte sie vor sich hin.
Dann sah sie zu Tankrond und lächelte sofort wieder. »Komm mein Freund, unterhalten wir uns ein bisschen.« Mit diesen Worten setzte sie sich auf das Podest, auf dem der Sarkophag ruhte, und streckte ihre Hand nach der von Tankrond aus. Dieser legte die seine in ihre und setzte sich neben sie. Doch ihre Hand ließ er nicht mehr los.
Bis zum Morgengrauen saßen sie so händchenhaltend im Totenhaus des Hirolas und sprachen im Mondlicht darüber, wie es ihnen in den letzten Jahren so ergangen war. Und selbst als sie zwischendurch immer wieder einmal aufstanden, um ihre Glieder auszustrecken, fanden sich ihre Hände sofort wieder, wenn sie sich setzten.
Als dann der Morgen heraufdämmerte, verabschiedeten sie sich voneinander mit dem Versprechen, in der folgenden Nacht am selben Ort erneut zusammenzutreffen. Ralka nahm Tankrond noch einmal in die Arme und drückte ihn zum Abschied ganz fest an sich. Dieses Mal erwiderte Tankrond die Umarmung, und so standen sie eine kurze Zeit fest umschlungen vor dem Grab des Hirolas. Als Valralka schließlich ging, schaute sie noch dreimal zurück zu Tankrond, der ihr jedes Mal zuwinkte. Dann war sie verschwunden und Tankrond wieder alleine mit seinen Gedanken. Doch er war von einem solchen Hochgefühl ergriffen, dass er fast glaubte, schwerelos zu sein. Als er sich dann auch auf den Heimweg machte, pfiff er sogar eine Melodie vor sich hin.
Dies waren die letzten unbeschwerten Stunden, die ihm vergönnt ware n, denn sein Schicksal sollte andere Wege für ihn bereithalten.
Der Grossmeister
Thiros , 14. Tag des 4. Monats 2513
Eilirond stand an seinem Lesepult im Palast von Thiros. Er verglich – wie schon so oft in den letzten Jahren – die Verlustlisten, die aus dem Haig kamen, mit jenen, die die obersten Verwalter der Provinzen Maladans über wehrfähige Männer zum König sandten. Denn seit den Tagen, als Curandor die Nachfolge Vanadirs als König über Maladan angetreten hatte, bekleidete Eilirond das Amt eines obersten Beraters der Herrscher von Maladan. Er hatte dieses Amt nie gewollt, doch er konnte sich dieser Pflicht auch nicht entziehen.
Eilirond war vom Volke der Esul-Anyanar, die einst bei Amarya in den heiligen Landen Alathas gelebt hatten. Wenige Jahre, nachdem diese ihre Aufgabe, die Völker über den großen Ozean nach Vanafelgar zu leiten, erfüllt hatten, verließ sein Volk die Gestade Vanafelgars und segelte hinaus durch das Kawanrion. Nur auf der Insel Ivalthanir im Meer von Fengol unterhielten sie noch eine Bastion, doch es war einem jeden bei Todesstrafe verboten, Ivalthanir zu betreten. Dies galt auch für jene Esul-Anyanar, die wie Eilirond in den Landen Vanafelgars verblieben waren. So hatte es Akinaja, die Hohe Verwalterin der Esul-Anyanar, vor nunmehr fast 2500 Jahren verfügt. Eilirond wusste, dass sie ihren Willen um jeden Preis durchsetzen würde. Nicht umsonst hatte die Hohe Macht Amarya Akinaja zur Ersten unter den Esul-Anyanar erwählt.
Eilirond war unter Xenon, dem ersten Fürsten von Fengol, zum Großmeister der Kundigen von Thengar ernannt worden. Doch dies war noch in den alten Tagen Ilvaleriens geschehen und hatte heute fast keine Bedeutung mehr. Die Kundigen von Thengar hatten mit dem Verschwinden des Fürsten auch all ihre Fähigkeiten zur Anwendung der Kraft der Mächte verloren. Einst hatten einige Auserwählte über diese uralte Gabe verfügt, bei Eilirond war sie mit am stärksten ausgeprägt gewesen. Bei den Velul, den Menschen, waren inzwischen jedoch alle gestorben, die sich einst Kundige von Thengar nennen durften. Nur unter den Anyanar Solatwans gab es nun noch jene, die einst mit dem Fürsten von
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