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Das Erbe in den Highlands

Titel: Das Erbe in den Highlands Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Kurland
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sagte er mit gequältem Blick, »würdet einen Irren noch in den Wahnsinn treiben. Bei allen Heiligen, seht Euch bloß an, was Ihr aus mir gemacht habt.« Er drehte sich um und ging vor sich hin schimpfend zur Tür.
    »Einen Wallach, das habt Ihr aus mir gemacht. Wenigstens kann mein Vater meinen beklagenswerten Zustand nicht mehr sehen. Himmel, er würde vor Lachen brüllen!«
    Er verschwand. Der Nachhall seiner tiefen Stimme hing noch in der Luft.
    Einige Augenblicke lang starrte Genevieve auf die Stelle, an der er gestanden hatte. Ihre Gefühle ließen sich nur mit dem Wort Verwunderung beschreiben. Nicht nur, dass er mit seinem vorgeblichen Messer fast gar nicht herumgewedelt hatte, er hatte sie auch kaum angeschrien, und ihre Unterhaltung hatte einen nahezu höflichen Ton gehabt. Also bestand immer noch Hoffnung für ihn.
    Und wie sie sich über diese Erkenntnis freute! Ohne all das Blut und das ekelerregende Zeug war er jedenfalls ein ausgesprochen gut aussehender Mann. Ein außerordentlich gut aussehender Geist, korrigierte sie sich mit einem Lächeln. In der Tat, ihm gelegentlich zu begegnen, wäre erfreulich. Ein hinreißender Mann, der keine körperlichen Ansprüche an sie stellen würde, von deren Befriedigung sie sowieso keine Ahnung hatte. Angenehme, gefahrlose Unterhaltung. Das Leben wurde immer besser.
    Bei der Erinnerung an den Verlauf des Abends lächelte sie genüsslich. Ihr Gespenst hatte anfangs das Messer gezückt, als wollte es ihr tatsächlich etwas antun. Und dennoch, trotz seines schroffen Verhaltens sah dieser Geist nicht so aus, als brächte er es übers Herz, einer Frau wehzutun. Einem Mann vielleicht schon, nicht aber einer Frau.
    Sie betrachtete das Messer auf dem Stuhl gegenüber. Seltsam, dass er es zurückgelassen hatte, da seine anderen Waffen doch immer verschwanden. Wenn sie es berührte, würden ihre Hände ins Leere greifen, als wäre es nicht da? Sie erhob sich mit Bedacht, da sie keine Sinnestäuschung, die er sich für sie ausgedacht hatte, zunichte machen wollte. Das Kaminfeuer spiegelte sich schwach in der Klinge, die tatsächlich auf dem Polster lag. Genevieve holte tief Luft, streckte die Hand aus und berührte das schlanke Heft.
    Es war kalt unter ihren Fingern.
    Sie hob das Messer auf und begann zu zittern. Aus dem Zittern wurden augenblicklich heftige Schauder. Das Messer entglitt ihren Fingern, und sie merkte, wie sich der Raum immer heftiger zu drehen begann. Du lieber Himmel, das Messer war echt! Er hätte sie töten können!
    Tröstliche Dunkelheit umfing sie, und sie kämpfte nicht dagegen an. Vielleicht hatte er Erbarmen mit ihr und tötete sie, während sie ohnmächtig war. Dann würde sie auf einer flauschigen Wolke erwachen, eine Harfe in den Händen.
    Nur zu, hübscher Unhold. Ich werde nichts davon spüren.
    Kendrick stand über dem zusammengesunkenen Häufchen seines neuerlichen Opfers. Über seine Züge huschte der Anflug eines Lächelns. Wie sehr hätte seine Großmutter diese junge Frau gemocht, die ihm so tapfer die Stirn geboten hatte. Großmutter Gwen hatte Mädchen ohne Courage nie leiden können.
    Er seufzte. Er würde Worthington wecken, damit der Genevieve ins Bett brachte. Warum sollte sie sich in der Kälte den Tod holen? Das Messer ließ er auf dem Boden neben ihr liegen. Auch das würde Worthington holen müssen. Kendrick war völlig erschöpft von der Anstrengung, es so lange zu halten. Eine Waffe zu schwingen, die aus Luft und einer großen Portion Einbildungskraft bestand, war eines, aber einen Gegenstand aus der körperlichen Welt zu halten, war etwas ganz anderes.
    Wieder seufzte er und fuhr sich mit der Hand durchs Haar. Ah, wann war das denn geschehen? Wann war aus ihm eine derart rückgratlose Memme geworden, die nicht imstande war, eine Klinge zu ergreifen und sie ins Herz des Feindes zu stoßen?
    Als sein Feind sich als reizende Maid mit einer spitzen Zunge und gewaltig viel Mut entpuppt hatte, da war es geschehen. Beim Heiligen Georg, er konnte sich nicht überwinden, eine Frau zu töten, egal welcher Herkunft.
    »Erbärmlich, Seakirk«, schalt er sich. »Wahrlich erbärmlich.«
    Mit einer knappen Verbeugung vor Genevieves regloser Gestalt gab er sich in dieser Schlacht geschlagen. Der Ausgang des Krieges war jedoch noch offen.
    Er hatte das dumpfe Gefühl, dass er den auch nicht gewinnen würde.

6
    Bryan McShane faltete sein Taschentuch auseinander und wieder zusammen, suchte vergeblich nach einer Stelle, die noch nicht

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