Das Erbe in den Highlands
Antiquitätenhändler.
Worthington bedachte sie mit einem skeptischen Blick, als er einen Teller Rührei mit Speck vor sie hinstellte. »Miss Adelaide ist eine entsetzliche Klatschbase. Sie sollten ihr Gerede nicht allzu ernst nehmen.«
»Und wie kann ich Wahrheit von Märchen unterscheiden, wenn es hier niemanden gibt, der mich aufklärt? Es sei denn, Sie wären so freundlich, mir die Dinge zu erläutern. Wären Sie das, Worthington?«
»Seine Lordschaft hat wohl recht«, brummte Worthington. »Sie sind ein keckes Frauenzimmer.«
Und damit entschwand er aus der Küche. Seine peinlich korrekten, rabenschwarzen Rockschöße segelten hinter ihm her wie ein Gefolge.
Die Fahrt in den Ort hätte Genevieve gerne aus ihrem Gedächtnis gestrichen. Und zwar schnell. Das Lenkrad auf der falschen Seite der Wagens stellte sich als gewöhnungsbedürftig heraus, auf der falschen Seite der Straße zu fahren als verdammt gefährlich. Und bei dem Gedanken, in einem Hunderttausend-Dollar-Auto zu sitzen, wurde ihr fast schwindlig. Vielleicht wollte ihr untoter Gastgeber sie im Moment nicht umbringen, aber er würde es sicherlich tun, wenn sie sein Lieblingsspielzeug zu Schrott fuhr.
Nach wenigen Begegnungen mit dem Tod und dem Gegenverkehr erreichte sie Adelaides Antike Erwerbungen. Die Erwerberin selbst wartete an der Ladentür, als hätte sie gewusst, dass Genevieve kommen würde. Genevieve fragte sich allmählich, ob es nicht im ganze Dorf spukte.
»Kommen Sie herein, liebes Kind, und setzen Sie sich«, forderte Adelaide sie ermunternd auf, zog Genevieve mit sich und bugsierte sie umgehend zu einem Sessel. Dann musste sie zuerst Tee aufgießen, ehe sie zu einem Gespräch bereit war, und Genevieve hielt es vor Neugier kaum noch aus. Vielleicht würde sie jetzt erfahren, wer der Mann war, der sie verfolgte, auch wenn er nicht vorhanden war. Adelaide nahm sich die Zeit, auch noch ein paar kleine Häppchen zuzubereiten, und hievte dann ihre kräftige Gestalt auf den Sessel Genevieve gegenüber.
Noch ehe Genevieve Gelegenheit hatte, den Mund zu öffnen, um ihre dringendste Frage zu stellen, wurde sie mit Klatsch überhäuft.
Die Themen waren die gleichen wie überall: die Affäre des Lebensmittelhändlers mit der Frau des Polizisten; die Schneiderin, die längere private Besprechungen mit dem Bürgermeister abhielt; die Kinder des Schuldirektors, die gerade die Bibliothek in Brand gesteckt hatten. Rasch wurde Genevieve mit der Frau warm und musste über deren Schilderung eines englischen Kleinstadtlebens herzhaft lachen.
»Nun erzählen Sie«, sagte Adelaide mit funkelnden Augen. »Haben Sie schon seine Bekanntschaft gemacht?«
Na, das war es, worauf sie gewartet hatte. Aber warum zögerte sie dann auf einmal, über ihn zu sprechen? Himmel nochmal, er war ihr Gespenst. Das Letzte, was sie wollte, war ein Haufen Touristen und Geisterjäger, die auf ihren Eingangsstufen kampierten.
Doch es sah so aus, als ließe Adelaide sich nicht beirren. Gespannt wartete sie auf Genevieves Antwort.
»Wessen?«, fragte Genevieve harmlos.
Adelaide lächelte. »Meine Liebe, ich neige zum Tratschen, aber ich bin dabei sehr wählerisch, glauben Sie mir. Ich werde Ihr Vertrauen nicht missbrauchen.«
Genevieve musste lächeln. »Wissen Sie, wer er ist?«
Adelaides Augen bekamen einen verträumten Ausdruck. »Sieht er tatsächlich so gut aus, wie man sagt?«
»Falls er nicht gerade blutverschmiert eine Streitaxt schwingt.«
Adelaide machte große Augen und kicherte dann höchst undamenhaft. »Er treibt also wieder seine alten Scherze.«
»Können Sie mir mehr erzählen? Mein Butler gibt sich so zugeknöpft, und mein Gespenst will ich nicht fragen.«
Adelaide schob ihre Teetasse beiseite und lehnte sich verschwörerisch vor. Jetzt kam der echte Klatsch. Genevieve beugte sich ebenfalls vor, nicht gewillt, auch nur eine Silbe dessen zu verpassen, was zweifelsohne fesselnde Enthüllungen sein würden.
»Sein Name ist Kendrick de Piaget of Artane«, sagte Adelaide in ehrfürchtigem Ton. »Sir Kendrick war einer der Söhne des mächtigsten Earls im England des dreizehnten Jahrhunderts, Robin of Artane.«
Genevieve war froh, nicht gerade von ihrem Tee getrunken zu haben, sonst hätte sie sich verschluckt. »Dreizehntes Jahrhundert?«, stieß sie hervor.
Adelaide nickte. In ihren Augen lag kaum zu übersehende Begeisterung. »Aye, und es gab zu dieser Zeit keine Familie auf der Insel, die mächtiger war oder gefürchteter und geachteter für ihre
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