Das Erbe in den Highlands
Jedenfalls scheute sie sich nicht vor Arbeit. Drei Tage lang hatte sie die anderen Schlafzimmer durchforstet, hatte alles aufgelistet und Stunden am Telefon verbracht, um Käufer für das restliche Mobiliar zu finden. Am Ende der Woche waren die Horrorkabinette nur noch leere Räume, die einer einfühlsamen Renovierung harrten. Kendrick wusste sehr gut, was sie zustande bringen konnte, und freute sich tatsächlich schon darauf, wie sie ihr Wunderwerk in seinem Haus vollbrachte.
Er trat durch die obere Kemenatentür und hielt sich im Schatten. Genevieve saß in eine Fensternische gekuschelt und blickte aufs Meer hinaus. Sonnenlicht fiel sanft auf ihr langes dunkles Haar. Haar, geschaffen für die Hände eines Mannes, darüber zu streichen, es zu liebkosen, zwischen den Fingern zu zwirbeln und es über bärtige Wangen gleiten zu lassen. Aye, der Gedanke an ihr Haar war nur einer der Gründe, die ihn dazu brachten, bis in die frühen Morgenstunden im Wehrgang auf und ab zu wandern. Es war absurd, aber er bekam ihr Bild nicht aus dem Kopf. Und er hatte sie auch schon so gesehen wie jetzt, die langen Beine auf den Sitz hochgezogen, die schlanken Finger um die Fesseln geschlungen, das eigensinnige Kinn auf die Knie gestützt.
Wieso hatte noch kein Mann Anspruch auf sie erhoben? Im klassischen Sinne war sie vielleicht nicht schön zu nennen, doch sie hatte etwas Robustes und Solides an sich. Zu schade, dass er sie nicht kennengelernt hatte, als er noch am Leben war. Sie wäre die Art von Frau gewesen, für die er sein Fierumziehen aufgegeben hätte, um mit ihr zusammen unzählige Abende vor einem gemütlichen Feuer zu verbringen. Ach, was für ein schmerzlicher Gedanke.
Sie wirkte so nachdenklich, wie er sich fühlte. Ihn überkam ein Anflug des Bedauerns ob seiner Aktionen, sie auf die Insel zu bringen. Zweifellos vermisste sie ihr Zuhause. Zumindest verzehrte sie sich nicht nach einer verlorenen Liebe. Dank gründlicher Nachforschungen hatte Kendrick festgestellt, dass es keinen Mann in ihrem Leben gab, der nach ihr suchen würde. Aus irgendeinem verrückten Grund gefiel ihm dieser Gedanke.
Nur weil es zeigte, dass sie ihren Weg im Leben allein gemacht hatte, rechtfertigte er sich schnell. Nay, er war nicht erleichtert, dass sie niemandem angehörte, gewiss nicht. So verblödet war er noch nicht. Er verschränkte die Arme vor der Brust und machte ein finsteres Gesicht. Hölle und Verdammnis, was scherte es ihn, ob sie einem anderen gehörte. Sie war eine Buchanan, und er wollte von ihr nichts anderes als ihre Unterschrift auf einem Stück Papier, mit dem sie ihren Anspruch auf sein Heim aufgab. Darüber hinaus hatte er keinerlei Interesse an ihr. Das musste er sich mehrfach ins Gedächtnis rufen, bevor er es einigermaßen glaubte.
Sie entdeckte ihn, zuckte zusammen und riss die Hand an die Kehle.
»Sie haben mich erschreckt.«
»Ich vergesse immer wieder anzuklopfen«, sagte er schroff.
Das Lächeln begann in ihren Augen. Worthington hatte recht; sie waren einfach bezaubernd. Die Farbe der Iris war ein wunderschönes Haselnussbraun, Grün mit Gold gesprenkelt. Kurz erschien ein Grinsen auf ihrem Gesicht, verschwand aber sofort, als ihr Blick auf sein Schwert fiel.
»Du lieber Himmel«, hauchte sie.
Erfreut über ihre Reaktion, stolzierte er auf sie zu. Er jagte ihr also Angst ein. Festzustellen, dass es ihm noch immer gelang, einer Frau Achtung abzuringen und sie ein wenig vor ihm zurückweichen zu sehen, tat seinem Ego gut.
»Ich dachte, Sie wollten mich nicht mehr töten«, sagte sie.
»Ich ziehe es nach wie vor in Erwägung.«
»Oh«, erwiderte sie und hob den Blick, um ihm in die Augen zu sehen. »Dann lassen Sie es mich wissen, wenn Sie sich entschieden haben.«
Kendrick schürzte die Lippen und kämpfte gegen ein Lächeln an. Bei allen Heiligen, das Frauenzimmer war keck. »Ihr werdet es als Erste erfahren, glaubt mir«, versicherte er ihr. Er setzte sich ins andere Eck der Nische und lehnte sich an die Wand, die Hand lässig auf dem Schwertknauf. Noch immer schickte sie unter den Wimpern hervor verstohlene Blicke in Richtung Klinge, was er äußerst befriedigend fand.
Mit der Zeit wurde das Schweigen ungemütlich, und Genevieve begann zu sprechen.
»Ich wünschte, Sie würden sich entscheiden.«
»Ich lasse Euch aber lieber im Unklaren.«
»Ich glaube nicht, dass es Ihnen besser geht, wenn Sie mich töten«, stellte sie fest.
In ihren Augen lag echte Besorgnis. Er bekam ein noch schlechteres
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