Das Erbe in den Highlands
während sie in seiner Vergangenheit herumkramte. Er war nicht sicher, ob er es sich eingestehen wollte, aber, aye, er empfand sogar Dankbarkeit für das Dunkel seiner Gespenstervergangenheit. Hätte es keine Dunkelheit gegeben, wie hätte er je das Licht zu schätzen gewusst, das Genevieve ihm gebracht hatte?
Sie war mit der Kraft eines Wirbelsturms in sein Dasein gebraust und hatte ihn mit ihrer Lebensfreude mitgerissen, ehe er wusste, wie ihm geschah. Wie sollte er auch nicht entzückt sein von ihrer Art, über seine armseligen Späße zu lachen? Wie nicht ihren Elan bewundern, ihre Begeisterung, ihre Freude über Kleinigkeiten, die er schon lange nicht mehr wahrgenommen hatte? Durch sie roch er wieder den scharfen Geruch salziger Luft, fühlte die Erde im Garten unter seinen Fingern, schmeckte die einfachen Speisen, die Worthington mit so wenig Begeisterung zubereitete.
Und dann war da noch die Frau selbst. Ihr scheues Lächeln gefiel ihm, ihr Lachen begeisterte ihn, ihre bezaubernden haselnussbraunen Augen schlugen ihn in ihren Bann. Er war entzückt darüber, sie in diesem lächerlichen roten Nachtgewand herumtappen zu sehen, in dem sie wie ein zu groß geratenes Kind aussah.
Aye, ihn schmerzte nur, dass er für sie nie all das sein konnte, was er gerne sein würde. Nie würde er sie umarmen können, nie ihr Haar berühren, nie ihr Gesicht zu einem Kuss anheben. Nie würde er nachts neben ihr ruhen können, ihren schlanken Körper in seinem Arm. Er würde sie auch nie hochheben, zum Strand tragen und sie in der Wärme der Sommersonne lieben können.
Vielleicht waren sieben Jahrhunderte nötig gewesen, um an seiner Seele zu feilen und ihn zu befähigen, Bedauern über unwiederbringliche Freuden empfinden zu können. Er hatte sich seine Sporen verdienen und eine Aufgabe erfüllen müssen. Und nachdem der Kreuzzug einen schalen Geschmack in seinem Mund hinterlassen hatte, war er über den Kontinent gezogen und hatte sich als Landsknecht verdingt. Ein hartes Leben voller Gefahren, Blut und Tod.
Er war zynisch geworden. So hatte er es vorher nicht gesehen, doch genau das war passiert. Frauen waren für ihn nur ein Zeitvertreib gewesen. Er blätterte gedanklich durch seine Erinnerungen, überflog viele Dutzend Frauen, die ihn aus den verschiedensten Gründen erwählt hatten. Für viele hatte es nur eine Eroberung bedeutet, ihn in ihr Bett zu locken. Seine Gefühle wurden dadurch nicht verletzt. Schöne Frauen, die seine Manneskraft rühmten, hatten seinen Ruf nur weiter gefördert.
Aber es hatte auch rachsüchtige Frauen gegeben, die ihn bloß benutzt hatten, um jemanden zu kränken. Am Morgen danach war er des Öfteren einem wütenden Ehemann gegenübergestanden und hatte es überlebt. Das waren die Frauen, die er lieber aus dem Gedächtnis strich.
Nur eine Handvoll anderer hob sich in seiner Erinnerung davon ab. Zwei oder drei waren Jungfrauen mit verträumten Augen gewesen, denen er klipp und klar gesagt hatte, dass keine Aussicht auf eine Ehe bestand. Schließlich hatte er sie dann doch genommen, da ihm klar war, dass sie sowieso in einer freudlosen Ehe enden würden. Das war sein Geschenk an sie, allerdings ein recht egoistisches. Die anderen waren entweder verheiratet oder älter, Frauen, die seinen trockenen Humor schätzten, Frauen, die sich ihm ebenbürtig fühlten und sich nicht zu törichten Spielchen herabließen. Die Verführung hatte auf Gegenseitigkeit beruht, ohne Verpflichtungen, war Vergnügen, solange es währte, und Freundschaft, wenn es vorbei war.
Überrascht stellte er fest, dass Matilda nicht unter den Frauen war, die gerade an seinem geistigen Auge vorbeizogen. Er lächelte müde. Nay, er hatte sie nie aufrichtig geliebt. Sie war nur Mittel zum Zweck gewesen.
Zum Zweck Genevieve.
Er ließ die Hände in den Schoß fallen und schloss die Augen. Wie würde Genevieve reagieren, wenn er ihr sagte, er sei im Begriff, sich in sie zu verlieben?
Genevieve wanderte durch Kendricks private Höhle, berührte alles, was sie sah, und fragte sich, ob es etwas sei, das er zu Lebzeiten angefasst hatte. Sie ging zur Vitrine, die seine Kleider enthielt. Wie nahezu jeden Tag in der vergangenen Woche öffnete sie die Tür und strich sacht über ein abgetragenes Wams.
Sie schloss die Glastür und versuchte auf andere Gedanken zu kommen. Allmählich verlor sie den Verstand. Eine andere Erklärung für das, was sie in letzter Zeit empfand, gab es nicht. Kendrick war ein Gespenst. Und auch wenn er keines
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