Das Erbe in den Highlands
Eigentlich hätte Kendrick darüber lachen müssen, wie sie zur Tür hasteten, aber er war tatsächlich etwas gekränkt. Als hätte er vorgehabt, sie alle einzufangen und am Spieß zu braten!
Er öffnete den Mund, um sie zurückzurufen, machte ihn jedoch sogleich wieder zu. Sein Stolz war zwar verletzt, aber immer noch vorhanden. Wenn sie gehen wollten, zum Teufel, dann sollten sie doch gehen. Wer den Mut besaß zu bleiben, würde Kendricks blumige Rede zu hören bekommen und sich an seinen besten Speisen und Getränken laben. Der Rest konnte von ihm aus zur Hölle fahren.
Die Tür des Rittersaals schlug zu. Dann trat Stille ein. Kendrick blickte auf die zwei oder drei Dutzend Seelen, die geblieben waren und ihn mit offenen Mündern und weit aufgerissenen Augen anstarrten. Hauptsächlich Ältere aus dem Dorf und auch ein paar jüngere Männer und Frauen. Kendrick beobachtete, wie sie sich langsam wieder fassten. Er war fast beeindruckt, was er wahrscheinlich gar nicht hätte sein müssen. Die Älteren konnte schon lange nichts mehr überraschen, was innerhalb der Mauern von Seakirk vor sich ging, und die Jüngeren waren für Eindrücke noch leichter empfänglich und fanden es daher faszinierend. Hoffentlich. Wenigstens war keiner der Dagebliebenen in Ohnmacht gefallen, wenngleich in Mistress Adelaides Blick so etwas wie Anbetung lag.
Und dann, ganz plötzlich, fehlten ihm die Worte.
Eigentlich hätte es eine Selbstverständlichkeit für ihn sein sollen. Schließlich hatte er seinen Vater und Großvater viele Male solche Reden halten hören. Er hatte auch schon seine eigene geprobt, als der König ihm Seakirk zum Lehen gab, da er wusste, dass die Burg bald ihm gehören würde und es seine Pflicht wäre, Gäste in seinem Rittersaal willkommen zu heißen.
Und nun war es wirklich sein Rittersaal. Seine Lady saß neben ihm und blickte ihn verliebt an. Leute, die seine
Bauern gewesen wären, für die er in einer anderen Zeit Verantwortung getragen hätte, waren vor der hohen Tafel versammelt und beobachteten ihn, warteten darauf, dass eine Perle der Weisheit von seinen Lippen fiel.
Er räusperte sich.
»Ich entbiete euch ein herzliches Willkommen, Freunde«, hob er an und hätte sich gerne die Hände an den Hosenbeinen abgewischt. Stattdessen verschränkte er sie auf dem Rücken. »Nachdem sich die Reihen so schlagartig gelichtet haben, sollte es Speisen und Getränke im Überfluss für euch geben.« Einige der Jüngeren grinsten. Die Alten betrachteten ihn mit einem Lächeln, das sich die ältere Generation dafür aufhebt, Reden von jungen, eingebildeten Männern über sich ergehen zu lassen. Allmählich wurde Kendrick etwas entspannter. Ein wenig Respekt war in den Gesichtern auch zu erkennen. Aye, der Abend war doch kein kompletter Fehlschlag. Er war der Herr von Seakirk, und es war offensichtlich, dass die meisten ihn auch dafür hielten. Er schenkte ihnen sein herrschaftlichstes Lächeln. »Feiert, Freunde, solange der Abend andauert. Worthington, kümmere dich um die Barden und dergleichen, damit meine Gäste gut unterhalten werden.«
Mit diesen Worten setzte er sich, streckte die Beine von sich und nahm die Pose ein, die auch sein Vater und Großvater schon in so bedeutsamen Momenten eingenommen hatten. Tod und Verdammnis, welch erhebendes Gefühl!
»Gut gemacht«, flüsterte Genevieve. »Du warst wunderbar.«
Kendrick lächelte seine Lady an. »Warte, bis du siehst, was ich später für dich habe.«
»Kohlen für meinen Strumpf?«
»Gewiss etwas weniger Persönliches.«
Sie lachte leise. »Du bist ein solcher Schelm.«
»Lord Seakirk?«, flüsterte eine bebende Stimme.
Kendrick drehte sich um und erblickte Adelaide, die zitternd wie Espenlaub vor der hohen Tafel stand. Ach, die tapfere Frau wagte sich trotz ihrer Angst so nahe heran. Kendrick schenkte ihr sein charmantestes Lächeln, bei dem jedes weibliche Wesen über zehn garantiert in Ohnmacht gefallen wäre. Adelaide sank direkt in Worthingtons Arme. Der schwankte zwar, stellte sie aber wieder auf die Beine und drückte ihr einen Becher Wein in die Hand.
»Trinken Sie, Miss Adelaide«, riet Worthington ihr.
Sie trank, die Augen über dem Becherrand weit aufgerissen. Als sie fertig war, rückte sie ihr Mieder zurecht und musterte Kendrick von Kopf bis Fuß. Er musste fast lachen. Diese alte Frau besaß wirklich Mut!
»Sehr erfreut, Mistress Adelaide. Meine Lady hat mir schon viel von den wundervollen Dingen in Ihrem Geschäft berichtet. Zu
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