Das Erbe von Glen Crannach
Ideen sich ein wenig setzen.” Ehe er eine spöttische Bemerkung machen konnte, fuhr sie rasch fort: “Wenn Sie einverstanden sind, möchte ich morgen früh gern anfangen zu fotografieren – je eher, desto besser.”
Greg schob die Hände in die Hosentaschen und verzog spöttisch die Lippen. “Was verstehen Sie denn unter früh, Miss Holden? Neun Uhr wie heute?”
“Etwas eher”, antwortete Camilla so gelassen wie möglich. “Ich dachte an acht Uhr.” Heute Abend würde sie auf alle Fälle einen Weckauftrag geben, bevor sie zu Bett ging.
“Acht ist mir recht.”
Sie hatte sich wieder abgewandt, und er folgte ihr zur Tür.
“Dann nehmen Sie den Rest des Tages also frei?”, fragte er.
“Von der Sammlung, ja. Aber das heißt nicht, dass ich nicht arbeiten werde.” Was ging es ihn eigentlich an, was sie tat? An der Tür blieb sie noch einmal stehen. “Ich dachte, ich fahre ein wenig herum und mache Landschaftsaufnahmen für meine eigene Sammlung.”
“Eine ausgezeichnete Idee.” Greg hielt ihr die Tür auf. “Es gibt sehr hübsche Motive hier. Allerdings …” Er blickte zum Himmel und runzelte die Stirn. “Ich rate Ihnen, sich nicht zu weit zu entfernen. Das Wetter in dieser Gegend kann sehr rasch umschlagen, und wie es aussieht, zieht ein Tief heran.” Er wirkte amüsiert, als er auf sie heruntersah. “Sie wollen doch nicht in einem unserer berüchtigten Hochlandnebel hängen bleiben?”
Sie kniff die Augen leicht zusammen. Greg versuchte offenbar nur, ihr den Spaß zu verderben. Es herrschte herrliches Herbstwetter, und am Himmel war nicht eine Wolke zu sehen. Aber Camilla dachte nicht daran, sich auf eine Diskussion mit Greg einzulassen, sondern lächelte nur freundlich und sagte: “Vielen Dank für den Rat. Wir sehen uns morgen früh um acht.”
Sie warf das blonde Haar zurück und ging zu ihrem Wagen. Ihr war wunderbar leicht ums Herz. Einen ganzen Nachmittag hatte sie vor sich, ohne befürchten zu müssen, dass Greg McKeown ihren Weg kreuzte.
Camilla ahnte nicht, dass sie wenige Stunden später seine Anwesenheit geradezu herbeisehnen würde.
Aus einem Impuls heraus beschloss Camilla, nicht im Hotel zu essen, sondern sich ein Picknick einpacken zu lassen. Sie gab eine entsprechende Bestellung bei der Geschäftsführerin, Mrs. Cameron, auf und lief dann ins Zimmer hinauf, um sich umzuziehen.
Camilla wollte zum Loch Maree fahren, das der Gärtner des alten Lords ihr empfohlen hatte, dort am Ufer ihr Picknick verzehren und anschließend auf Motivsuche gehen und Aufnahmen für ihre Landschaftsmappe machen. Es würde ein angenehm gemächlicher Nachmittag werden – genau passend zu ihrer Stimmung.
Es war schon kurz vor drei, als Loch Maree in Sicht kam, und Camillas Magenknurren hatte sich verschlimmert. Auf der Straßenkarte hatte die Strecke bis zum See viel kürzer gewirkt, aber die Fahrt über die schmale, kurvige Straße hatte mehr Zeit gekostet als vermutet.
Macht nichts, sagte sie sich fröhlich, parkte und breitete wenig später am Seeufer die bunt karierte Decke aus, die Mrs. Cameron ihr geliehen hatte. Schließlich hatte sie es nicht eilig, und jetzt würde ihr das Essen erst recht gut schmecken.
Sie setzte sich und zog den Rock ihres blauen Kleides über die Knie. Dann öffnete sie die Picknickbox und zog ein gebratenes Hühnerbein heraus. Mit großem Appetit biss sie hinein.
Der alte Gärtner hatte nicht übertrieben. Dies hier musste eines der schönsten Fleckchen der Welt sein. Camilla genoss die Aussicht und wünschte, Eric wäre bei ihr, um dieses Erlebnis mit ihr zu teilen. Als Stadtmensch konnte er normalerweise wenig mit der freien Natur anfangen, aber sie war sicher, dass auch ihm der Blick auf den von Bergen umrahmten See gefallen hätte. Sie lächelte, als sie sich an den kleinen Andenkenladen erinnerte, den sie an der Straße gesehen hatte.
Auf dem Rückweg werde ich dort anhalten, nahm Camilla sich vor, und ein paar Ansichtskarten für Eric kaufen.
Sie seufzte zufrieden auf und nahm sich noch ein Hühnerbein. Schloss Crannach und der Ärger der vergangenen zwei Tage schienen sehr weit weg zu sein.
“Tag!”
Beim Klang der Stimme schaute Camilla auf und sah einen etwa zwölf oder dreizehn Jahre alten dunkelhaarigen Jungen. Er schien aus dem Nichts aufgetaucht zu sein und lächelte sie schüchtern an.
Nachdem sie seinen Gruß erwidert hatte, erklärte er: “Ich war ein Stück weiter oben hinter den Bäumen am Bach und habe nach Forellen gefischt, aber
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