Das Erbstueck
wollte
er diese Worte seinem einzigen Sohn einprägen, der etwas hatte. Er wollte dessen Kopf füllen und ihn für Gott vorbereiten, mit tiefer und ehrlich empfundener Einsicht in Seine Worte. Dass das auf längere Sicht bedeutete, dass er den Jungen von zu Hause fort auf eine Lateinschule schicken musste, auf eine Gelehrte Schule, daran mochte er nicht denken. Die nächste lag in Malding. Das Schulgeld kostete so ungefähr die Augäpfel, eigentlich könnten sie sich das nicht leisten. Er würde den Jungen selber auch über das Alter, in dem Schüler normalerweise auf die Gelehrte Schule geschickt wurden, selber unterrichten müssen.
Außerdem krümmte er sich schon bei dem Gedanken daran, zusehen zu müssen, wie Christina von dem Jungen Abschied nahm, zu sehen, was dann von ihr übrig bleiben würde.
I n der Studierstube seines Vaters kam er sich vor wie zu Besuch in einem fremden Haus.
Mogens war verlegen und andächtig. Der Vater kam ihm ebenfalls anders vor, er hielt das Kinn höher, wie in der Kirche, bei der Predigt. Sein Kinnbart ragte wie Kohle in die Luft.
»Hier sitzt du.«
Der Vater zeigte auf die andere Seite des Schreibtisches, wo ein etwas zu niedriger Hocker stand, der mit einer fest zusammengefalteten Friesdecke belegt war. Mogens setzte sich.
»Ist das hoch genug?«
Mogens rutschte vorsichtig hin und her und nickte. Und dann passierte das, was er niemals vergessen sollte. Der Vater holte wunderbare Dinge von seinem Schreibtisch, legte sie vor Mogens hin und sagte, die gehörten jetzt ihm.
»Das ist für dich«, sagte der Vater.
Ein Federhalter. Eine kleine Schachtel mit Stahlfedern, drei neue Schreibhefte mit weißem Papier. Mit weißem! Ein Tintenfass und einen Bogen dickes Papier, mit dem überflüssige Tinte aufgesaugt werden konnte. Zwei eingebundene Bücher, die er nicht zu berühren wagte. Das eine war ziemlich klein, das andere gewaltig dick. Er brannte darauf, sie zu öffnen, die Bilder zu betrachten.
»Tausend Dank, mein Vater!«
»Das wird hier aufbewahrt und nur zu den Studien benutzt.«
Mogens nickte feierlich. Zu den Studien ... Natürlich war das hier kein Spielzeug. Der Vater schob ihm die Schreibausrüstung zu.
»Ich ziehe ja meinen alten Federkiel vor, ich finde, die Schrift wird dann weicher, aber du musst mit der Stahlfeder lernen«, sagte er.
Und damit wusste Mogens, dass der Unterricht begonnen hatte. Zuerst musste er also das benutzen lernen, mit dessen Hilfe er sich Wissen erwerben sollte.
Was schwieriger war, als er erwartet hatte. Er streckte die Zungenspitze bis zu seiner Nase hin und gab sich alle Mühe, die Feder in den Halter zu stecken, ohne sich zu stechen. Er stach sich trotzdem, jammerte aber nicht. Denn jetzt saß die Feder felsenfest im Halter, sie schimmerte wie Silber, und zwei elegante Bögen führten zur Spitze.
»Und dann eintunken. Vorsichtig. Sie muss einen Moment in der Tinte bleiben, damit die Feder sich voll saugen kann. Und dann schreibst du darauf.«
Der Vater hatte schlichtes graues Papier geholt, auf dem er üben sollte, das war der einzige Wermutstropfen in der Freude, aber er sah bald, dass es so klüger war. Der Buchstabe, den er hatte formen wollen, der erste Buchstabe in seinem eigenen Namen, den er bisher mit Kohlestift wunderbar gemeistert hatte, wurde zu einem großen blauen Klecks, der wie eine dunkle Salzwasserwunde auf dem grauen Papier verlief. Aber der Vater sagte:
»Anfangs ist das immer so. Bis du es gelernt hast. Aber du lernst das sicher schnell, mein Junge. Und du musst die Feder so halten, dass der breite Teil immer in dieselbe Richtung weist. Und nimm beim nächsten Mal nicht zu viel Tinte, auch wenn das Papier sie aufsaugt.«
Mogens tunkte die Feder wieder ein. Sogar der scheußliche Klecks war schön. Er sah auf dem porösen Papier aus wie eine
Blume. Diesmal tippte er mit der Feder beim Herausziehen vorsichtig gegen den Rand des Tintenfasses. Er schrieb ein schönes M, so hart und eifrig, dass die Feder das Papier durchbrach und eine tiefe Pflugfurche zog, die in einer neuen Blume endete.
»Das war gut«, sagte der Vater. »Aber beim nächsten Mal nicht so fest.«
Und Mogens übte und schrieb auf grauem Papier, bis seine Zungenspitze von der vielen frischen Luft fast eingetrocknet war, während der Vater ihm ruhig gute Ratschläge für die zerstörerische Wanderung der Feder über das Papier erteilte.
»Das Papier ist ungeeignet«, erklärte er dann schließlich. »Ich gebe dir ein Stück weißes. Es ist
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