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Das Erlkönig-Manöver

Das Erlkönig-Manöver

Titel: Das Erlkönig-Manöver Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Löhr
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Exzellenz.«
    »Haben Sie Dank für dieses wohlmeinende, wenn auch nicht ganz wahrhaftige Wort.«
    Kleist erhob sich vom Lehnsessel und beharrte, dass Goethe statt seiner darauf Platz nahm. Als sich Kleist einen zweiten Stuhl herangezogen hatte, sprachen sie über die Sprengung der Mainzer Schiffsbrücke, und Goethe bedankte sich bei dem Preußen dafür, dass er ihn nach der Explosion und dem Verschwinden Schillers aus der Betäubung geweckt und zur Flucht angetrieben hatte, bevor die Franzosen wieder Stellung bezogen und das Feuer eröffnet hatten.
    »Sie haben den Franzosen sogar noch eins auf den Pelz gebrannt! Wenn ich’s Ihnen irgend danken kann, sagen Sie mir nur, wie.«
    »Ich wüsste schon … Wenn Sie, bei aller Bescheidenheit, beizeiten mein Lustspiel –«
    »Kein Wort, Herr von Kleist, kein Wort mehr davon!«, sagte Goethe lächelnd, »denn raten Sie einmal, was ich mir mitgenommen habe, in der Erwartung, der Erste in der Stube zu sein und niemanden zur Konversation vorzufinden.« Damit zog er die Mappe mit der Abschrift aus dem Rock. »Nun soll es meine Bettlektüre werden.«
    Diese Fügung stimmte Kleist so glückselig, dass er, um seine Wallung zu verbergen, kräftig an seiner Pfeife zog, obwohl der Tabak darin längst erloschen war.
    Der Dritte im Bunde war Schiller, und wenig später trat auch der Sonnenwirt hinzu und bat sie freundlichst, »nur eine Formalité«, sich ins Meldebuch einzutragen. Goethe, der Buch und Feder als Erster auf den Schoß ge legt bekam, stutzte kurz, schrieb dann aber neben dem 1. März den Namen Möller nieder. Schiller folgte seinem Beispiel als Doktor Ritter , und Kleist schließlich signierte Klingstedt mit solcher Sicherheit, als hätte er nie anders geheißen.
    Nun kamen auch endlich die anderen, zuletzt Bettine, die sich das Puder aus den Haaren und das Rouge von den Lippen gewaschen hatte sowie die unansehnlichen Altfrauenkleider abgelegt, in denen sie die falsche Madame de Rambaud gegeben hatte. Noch immer trug sie nur zweckmäßige Reisekleider, aber ihre Erscheinung in dieser bescheidenen Herberge war nicht weniger als helenengleich zu nennen. Die größte Tafel der Schenke ward in der Zwischenzeit eingedeckt, und der Wirt bat mit vielen Bücklingen zu Tisch. Goethe nahm an der Stirnseite Platz, links von ihm Louis-Charles, Schiller und Humboldt, zu seiner Rechten Bettine und Arnim und ihm gegenüber schließlich Kleist. Boris hatte sich entschuldigen lassen. Aus der Küche kam die züchtige Hausfrau mit einem dampfenden Kessel, den sie auf dem Tisch abstellte, um mit der Kelle eine ländliche Kohlsuppe mit Speck in die Teller zu geben. Der Wirt legte einen Laib Brot hinzu.
    »Wohl bekomm’s dann«, sagte Schiller, und sofort griffen die Hungrigen zum Löffel.
    Bettine hielt indes das schwarze Brot und schnitt ihren sechs Gefährten rings herum jedem sein Stück nach Proportion seines Appetits ab; ein reizendes Schauspiel, das aber allen entging bis auf Goethe, der als Einziger von seiner Suppe aufblickte.
    Der Sonnenwirt erkundigte sich, ob dieses Entrée trotz aller Bescheidenheit zusage und welchen Wein man zu trinken wünsche, »Franz oder Rhein?«.
    »Wenn ich wählen soll«, sagte Goethe, »will ich Rheinwein.«
    »Recht!«, rief Arnim. »Das Vaterland verleiht die al lerbesten Gaben.«
    »Was uns zur Frage zurückbringt, ob ein Rheinwein immer noch ein deutscher Wein ist oder nicht nunmehr ein fränkischer.«
    »Von welchem Ufer ist er denn?«, fragte Bettine den Wirt. »Rechts oder links?«
    »Das Ufer weiß ich nicht, meine Dame. Aus Nierstein.«
    »Also linksrheinisch. Streng genommen also auch ein Franke.«
    »Aber kein Mainfranke«, sagte Humboldt. »Der wür de uns jetzt aus dieser vaterländischen Zwickmühle helfen.«
    »Hat Er denn Frankenwein aus dem deutschen Franken?«
    Den Wirt hatte dieser Wortwechsel so verwirrt, dass er sich gar nicht mehr zu antworten getraute. Er schüttelte nur den Kopf.
    »Ach was, schenk Er ein!«, sagte Goethe zwinkernd. »Unsre Herzen mögen die Franken verachten, aber unsre Gaumen verehren sie.«
    Der Wirt machte die Runde, und als allen eingeschenkt war, hob Goethe seinen Becher: »Ich tränke gerne ein Glas, die Freiheit zu ehren.«
    Kleist runzelte die Stirn. »Traun! Sie wollen mit französischem Weine auf die teutsche Freiheit trinken?«
    »Seien Sie nicht so fritzisch gesinnt. Ich sprach nicht von der deutschen Freiheit, sondern von der unsres jungen Freundes.« Hierbei hob er sein Glas zum Dauphin. »Es lebe

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