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Das ermordete Haus

Das ermordete Haus

Titel: Das ermordete Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Magnan
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genug, um seine Wachsamkeit aufrechtzuerhalten. Er hatte sich sogar den Luxus gegönnt, eine Zigarre anzuzünden (was recht schwierig gewesen war), und nun rauchte er sie voller Überheblichkeit. Nun fühlte er sich endlich wie jemand, der sich seinen Feierabend verdient hat. So spazierte er in ängstlicher Selbstgefälligkeit und mit geladenem Gewehr um das halbe Becken herum, wobei die Hunde hechelnd vergeblich Ausschau nach Beute hielten.
    Er zog genüßlich an seiner Zigarre, als er plötzlich ausrutschte. War er wirklich ausgerutscht? Hatte der Boden unter seinen Füßen nachgegeben? Wer könnte darüber Auskunft geben? Sicher ist nur, daß er mit seinen stattlichen neunzig Kilo ins Wasser fiel, während er mit den Armen hilflos herumruderte. Das Gewehr entglitt ihm und versank in der Tiefe, und in seinem Sturz zog er die Hunde mit sich; auch sie waren vorher schon ausgerutscht. All dies verschmolz zu einem einzigen gewaltigen Platschen, das wohl allein der Wind hörte.
    Obwohl ihm klar war, daß das Rauschen der Bäume seine Rufe übertönen würde, schrie Gaspard dennoch, aus Instinkt. Der Rand des Beckens lag weit über dem Wasserspiegel; dennoch versuchte er, sich daran festzukrallen. Und fast hätte er es auch geschafft, wenn nicht die Hunde ihn mit einem plötzlichen Ruck von dort fortgerissen hätten. Schwimmen konnten sie, die Hunde, aber da die Natur ihnen das Gemüt eines Neufundländers versagt hatte, versuchten sie, jeder für sich allein wieder auf festen Boden zu gelangen.
    Gaspard konnte nicht schwimmen, und außerdem wußte er, daß er zweieinhalb Meter Wasser unter sich hatte, an jeder Stelle des vierzig Meter langen und zwanzig Meter breiten Beckens, auf das er so stolz war.
    Das Wasser kam aus den Tiefen der Berge; es war durch die Tonschichten gesickert, die im Laufe der Erdgeschichte aufgefaltet worden waren, und hatte sich tief unter der Durance seinen Weg gesucht, um schließlich sechshundert Meter vom Becken entfernt ans Tageslicht zu treten, unter einem Weidengebüsch, wo man es gefaßt hatte. Von seiner ursprünglichen Kälte hatte es nichts verloren.
    Jetzt, da er sich darin befand, mußte Gaspard einsehen, daß dieses Wasser, das er mit so viel Mühe wieder in sein Becken geleitet hatte, wo es einen reizvollen Spiegel bildete, ein Eigenleben führte, das dem menschlichen Wohlbefinden nicht sehr zuträglich war. Es war gummiartig, zähflüssig und eisig. Es durchtränkte seine Haut. Die Kälte drang durch seine Kleider hindurch bis ins Blut, ließ es nach und nach gerinnen.
    Während er sich an der Hundeleine festklammerte und die Hunde ihn kreuz und quer durchs Becken zogen, erinnerte er sich daran, daß er zum Abendessen pieds et paquets gegessen hatte. Dieses deftige Gericht aus Schafsmägen und Lammfüßchen, das von der Dragonerin kunstfertig zubereitet worden war, hatte ihn etwas aufgemuntert.
    Nun, da er wild um sich schlug und, wenn er im falschen Augenblick einatmete, dieses Wasser zu schlucken bekam, das ihm klar und schneidend wie flüssiger Diamant gegen die Zähne klatschte, dachte er mit Schrecken an die pieds et paquets. Er fühlte, wie sie unter der Einwirkung des eiskalten Wassers in seinem Magen erstarrten, eine harte Masse bildeten, sich in der Mitte seines Körpers festsetzten, alle Lebensströme abschnitten und ihn schließlich lähmen würden. Da schrie er abermals.
    In diesem Augenblick zogen die Hunde ihn zu der Seite, wo die Pappeln standen. An ihre Leinen geklammert, schlug Gaspard wie wild um sich, um seinem Körper ein bißchen Wärme zu erhalten. Die Hunde erreichten den Beckenrand, stemmten sich zur Hälfte aus dem Becken, krümmten sich, machten heftige Bewegungen, aber ihre Krallen rutschten an dem Marmor ab, das Gewicht Gaspards zog sie wieder in die Tiefe, zumal sie sich gegenseitig behinderten. Sie fielen zurück ins Wasser. Sie begannen wieder zu schwimmen. Sie stürzten geradewegs auf die Brunnenrohre zu, die ihr Wasser gleichförmig in das Becken ergossen.
    Da gewahrte Gaspard, der schon halb das Bewußtsein verloren hatte, im Mondlicht zwischen den grinsenden Gesichtern der triefenden Laren einen Mann, der am Beckenrand stand und der – ohne den Anflug eines Lächelns und ohne Ausdruck des Hasses – zuschaute, wie er mit dem Tod kämpfte. Obwohl er ihn schon so lange nicht mehr gesehen hatte, erkannte Gaspard ihn sofort. Er wußte, daß er nur deshalb so dastehen konnte, ganz ruhig, die Hände in den Hosentaschen, sich ihm nur deshalb im hellen

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