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Das ermordete Haus

Das ermordete Haus

Titel: Das ermordete Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Magnan
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erleuchtete, teils dunkle Fenster durchlöcherten die höchst unterschiedlichen Fassaden, grüne Jalousien, schwarze, schief in den Angeln hängende Fensterläden, das Licht einiger Glühbirnen hinter den Fenstern, daneben auch Petroleumlampen oder sogar alte Öllämpchen hinter den Türen der Ställe, in denen Ziegen standen und ein paar Alte herumschlurften.
    Drei Platanen wachten über den Brunnen. Eine einzige Straßenlaterne, deren Halterung in die Vorderfront des Notarshauses eingelassen war, verbarg sich hinter den windbewegten Zweigen. Die abgefallenen Blätter der Platanen auf dem Boden zwischen den Pfützen sahen ein bißchen nach Orientteppich aus.
    Die Eifersucht verstößt einen aus allen Stätten des Friedens. Einsam und elend war Marie ihr auf diesem Platz ausgeliefert. Sie zitterte, bettelte um das stumpfe Licht, das Séraphins Fenster anzeigte. Dort oben bewegten sich langsame Schatten zwischen dem Lampenschirm aus Perlenschnüren und den schmutzigen Fensterscheiben. Aber Marie konnte nur die Zimmerdecke sehen. Alles übrige, was sie nicht sehen konnte, war ihrer lebhaften Einbildungskraft ausgeliefert. Allein, das war ihr nicht genug: Sich etwas ausmalen heißt eben nicht, Gewißheit zu haben. Sie sah sich nach einem Mittel um, das es ihr gestatten würde, aus einem günstigeren Winkel durch das erleuchtete Fenster zu schauen. Ihr Blick fiel auf ein weit geöffnetes Scheunentor, wo man die Beine einer kleinen Leiter ausmachen konnte, wie sie bei der Olivenernte benutzt wird.
    Sie wollte gerade darauf zugehen, als eine Verdunkelung des Lichtes sie veranlaßte, den Kopf zu wenden. Sie war nicht mehr allein. Vollkommen damit beschäftigt, einen besseren Beobachtungsposten zu finden, hatte sie einige Sekunden lang die Fassade von Séraphins Haus aus den Augen verloren, und in diesem Augenblick war die kleine Veränderung eingetreten.
    Sie konnte einen Mann von hinten erkennen, wie er unter den windbewegten Zweigen davonschlich, halb im Schatten, halb im Licht, gut sichtbar und verschwommen zugleich. Er mußte wohl soeben aus der Tür getreten sein, die vor Séraphins dunklem Treppenhaus offenstand. Marie hatte ihn nicht herauskommen sehen; da sie jedoch den ganzen Platz überblickte, konnte er nicht aus einer anderen Richtung gekommen sein.
    Das windbewegte Gitter, das die belaubten Zweige vor der einzigen Straßenlampe bildeten, zerschnitt die Gestalt in vier Teile. Es war ein helldunkler Harlekin mit undeutlichen Umrissen, der dort drüben hinter dem Brunnen davonging, ins Halbdunkel eintauchte, in das gleich darauf die Pendel- bewegungen eines Radfahrers ein wenig Bewegung brachten und in dem das Quietschen eines verbogenen Rades in der Ferne verklang.
    Marie verfolgte diesen Schattenriß und dieses Geräusch mit unendlicher Erleichterung. Wenn dieser Mann da wirklich Séraphin gerade verlassen hatte, dann ließen sich die verdächtigen Schattenspiele erklären, die eben noch vor der Lampe zu sehen gewesen waren …
    Doch dann bemerkte sie hinter dem Brunnen, in dem finsteren Winkel, wo der Mann soeben verschwunden war, ein abgestelltes Auto. Mit seinem schwarzglänzenden Lack, seiner hohen Karosserie und seinen Rädern mit rotgeringelten Speichen zog es die Blicke auf sich und ließ darauf schließen, daß es einer Frau gehörte. Marie sah zu Séraphins Fenster hoch. Die Schatten bewegten sich dort immer noch. Also rannte sie, ohne zu zögern, auf den offenen Schuppen zu, nahm die Leiter von der Wand und lehnte sie gegen den Stamm einer Platane. Dabei kam ihr kein einziges Mal der Gedanke, daß da jemand kommen, den Platz überqueren oder aus einem der Häuser treten könnte.
    Eifersucht ist waghalsig. Nichts hält sie auf. Außerdem glaubte Marie, daß ihr zehn Sekunden reichen würden, um sich Gewißheit zu verschaffen. Doch dann harrte sie eine volle Stunde aus. Sie blieb auf ihrem Posten, bis Charmaine, im wahrsten Sinne des Wortes hinausgeworfen, zu ihrem Auto rannte und mit quietschenden Reifen davonfuhr.
    Zuvor jedoch hatte Marie sich, benommen, mit ausge- trocknetem Mund und wackeligen Knien auf ihrem Leiterchen stehend, nach Herzenslust die Gewißheit verschaffen können, nach der sie dürstete. Trotz der Fenstersprossen, die das Blickfeld einschränkten, hatte sie sich an dem undeutlichen Bild satt sehen können, das durch die schmutzigen Scheiben hindurch zu erkennen gewesen war.
    Nachdem Charmaine weggefahren war, klammerte sie sich, völlig außer Atem, für Minuten mit zitternden Armen

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