Das erotische Naschwerk
ihnen das Du anbieten?“
„Sehr gerne, ich komme mir nämlich immer schrecklich alt vor, wenn man mich siezt.“
Sie prosteten sich zu, und als Anja das Glas wieder abgestellt hatte, beugte sich Antonio zu ihr rüber, um ihr einen Kuss auf die Wange zu hauchen.
Wie ein warmer Sommerwind, so leicht und angenehm waren seine Lippen, als sie ihre Wange streiften. Ihr Herz begann zu rasen und sie spürte, wie die Röte ihr ins Gesicht stieg.
„So besiegelt man doch das Du, nicht wahr?“
Vor lauter Verlegenheit und vor allem, um nichts sagen zu müssen, stopfte sie sich ein großes Stück Brot in den Mund und nickte.
Sie musste sich eingestehen, dass es das schönste Picknick war, das sie je erlebt hatte. Nicht nur, dass er scheinbar einen Feinkostladen leer gekauft hatte und das Wetter und die Umgebung einfach perfekt waren, obendrein stellte er sich auch noch als ein wunderbarer Gesprächspartner heraus.
Er hatte keine Annäherungsversuche gemacht und sie fragte sich, warum wohl?
Nicht, dass sie darauf gewartet hätte, aber es irritierte sie schon ein wenig. Nein, es irritierte sie nicht, es kränkte sie, und wenn sie ganz ehrlich war, dann hatte sie darauf gewartet. Jedes Mal, wenn er sie zufällig berührt hatte, war ihr ganz warm geworden und ihr Herz hatte einen Sprung gemacht. Sie wusste, dass es nicht richtig war, so zu denken und zu fühlen, aber es war nun einmal die Wahrheit.
Den ganzen Spätnachmittag bis hin zum Abend hatte sie immer wieder an das Picknick gedacht und nun kämpfte sie mit der Frage, ob sie ihn zu einem Spaziergang einladen sollte?
Es wäre falsch, sie wollte ihn jedoch unbedingt noch einmal sehen, bevor sie morgen früh wieder nach Hause fahren würde. Außerdem hatte sie ihm versprochen, dass sie sich noch einmal sehen würden vor ihrer Abreise, also konnte sie gar nicht anders.
Um genau zu sein, konnte sie schon anders, aber sie wollte nicht. Seit Monaten fühlte sie sich das erste Mal wieder richtig gelöst. Jemand hörte ihr aufmerksam zu, lächelte sie an und schien sogar gerne mit ihr zusammen zu sein. Sie bekam endlich wieder Aufmerksamkeit, das konnte sie nicht einfach sofort wieder aufgeben.
Das wollte sie nicht aufgeben.
Nur ein bisschen, nur einen Abend.
Sich fühlen, als sei man etwas Besonderes, als sei man schön und begehrenswert, als sei man kein alter Hut, den man nur zu gut kennt. Und was war schon dabei, ein harmloser Spaziergang, ein bisschen flirten.
Das Haus war aufgeräumt, der Koffer weitestgehend gepackt, es war nichts mehr zu erledigen, also entschloss sie sich hinüberzugehen und ihn zu fragen, ob er mit ihr gemeinsam einen kleinen Spaziergang machen wolle.
Im Spiegel neben der Tür überprüfte sie noch einmal ihr äußeres Erscheinungsbild, als es klopfte. Konnte es etwa sein, dass ihr die Entscheidung so eben abgenommen wurde?
Wieder begann ihr Herz zu hüpfen. Sie öffnete die Tür und blickte in Antonios lächelndes Gesicht.
„Wolltest du gerade weggehen?“
„Ja, ich wollte noch ein wenig spazieren.“
„Oh, das kommt mir sehr entgegen, darf ich dir meine Begleitung anbieten?“ fragte er mit einem Lächeln, das überzeugender war als alle Worte, die es gab.
„Gehen wir.“
Anja versuchte ihre Freude zu verbergen, was ihr mehr schlecht als recht gelang. Sie schlenderten über die Wege der Insel, blieben bei dem einen oder anderen Grashalm stehen, um ihn zu betrachten und sprachen über Gott und die Welt, wobei Anja sehr darauf achtete, das Thema Beziehung auszusparen. Sie wollte nicht absichtlich verheimlichen, dass sie einen Partner hatte, sie verspürte nur keinen Drang, über ihn zu reden. Sie wollte diesen Abend mit niemand anderen außer Antonio verbringen.
Neben dem Musikpavillon ließen sie sich auf einer Bank nieder. Für einen Augenblick saßen sie nur still da und schauten auf das Meer hinaus. Die Luft war warm, vom Meer wehte eine angenehme Briese herüber. Das Wasser glitzerte von den Spiegelungen der Lichter. Es war wunderschön und herrlich beruhigend.
„Du warst gestern in Begleitung am Strand. Wer war das? Dein Bruder?“
Ein Kloß bildete sich in Anjas Hals, sie schluckte schwer, dann erfüllte sie ein Gefühl der Scham. Wie konnte er denn nur denke, dass Marcel ihr Bruder sei, sie sahen sich doch gar nicht ähnlich und zudem behandelt man einen Verwandten ganz anders als seinen Freund.
„Wie kommst du darauf, dass er mein Bruder ist?“
„War das etwa nicht dein Bruder? Das ist mir jetzt aber unangenehm.
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