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Das erste Buch der Traeume

Das erste Buch der Traeume

Titel: Das erste Buch der Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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hinterhergelaufen, das ungestört sein wollte.
    Ja, genau. Nachts auf dem Friedhof. In einer Gruft.
    Weil es hier so kuschelig war.
    Es half nichts, ich konnte nicht länger warten.
    Mit Arthur würde ich notfalls auch alleine fertig werden. Er mochte groß und durchtrainiert sein, aber ich konnte Kung-Fu und hatte den Überraschungseffekt auf meiner Seite. Okay, es war möglicherweise leichtsinnig und nicht besonders schlau, sich jemandem allein in den Weg zu stellen, der ernsthaft vorhatte, einen Dämon aus der Unterwelt zu befreien – und dabei auch vor Menschenopfern nicht zurückschreckte –, aber hatte ich denn eine Wahl?
    Ich starrte auf die Silhouette des schlafenden Steinhundes neben mir. Was, wenn Henry gar nicht kam? Wenn Emily ihm am Ende gar nichts gesagt hatte? Zuzutrauen war es ihr, so schlecht, wie sie vorhin über Graysons Freunde geredet hatte. Und vielleicht hatte sie auch einfach nur kein einziges Wort von dem verstanden, was ich geschrien hatte.
    Ich musste eine Entscheidung treffen. Zurück zur Straße zu rennen und irgendwo Hilfe zu suchen, war keine echte Option. Bis Hilfe kam – wenn sie denn überhaupt kam –, würde es längst zu spät sein. Nein, ich konnte nicht länger warten. Wer wusste, was sich in diesem Mausoleum gerade abspielte? Ob Arthur überhaupt die Nerven hatte, Drudenfüße zu zeichnen und salbungsvolle lateinische Sprüche zu deklamieren? Vielleicht kam er auch ganz einfach schnell zur Sache, um es kurz und schmerzlos hinter sich zu bringen.
    Ich streifte mir langsam meine Schuhe über. Zum Laufen waren sie vielleicht nicht die bequemsten, aber bei einem Kampf konnten sie sich durchaus als nützlich erweisen.
    Meine Hand zitterte, als ich die Tür zum Mausoleum öffnete, vorsichtig eintrat und mich umsah. Die Gruft umfasste einen Raum von vielleicht drei mal vier Metern und war spärlich erhellt von brennenden Kerzen, die in Nischen in den Wänden aufgestellt waren. Anabel war im Begriff, eine Fackel anzuzünden, Arthur stand an der Längsseite des Raums und sah mir entgegen. Nicht erschrocken, nicht mal erstaunt, sondern ganz so, als hätte er mit meinem Erscheinen gerechnet. Das flackernde Licht beleuchtete die perfekte Kontur seines Gesichts.
    »Liv«, sagte er und machte einen Schritt auf mich zu. Ich wartete nicht, bis er näher kam, ich sprang ihm entgegen. Seine Hände waren leer, keine Waffe, also schwang mein rechter Fuß hoch und traf ihn präzise unter dem Kinn, in der Luft drehte ich mich um 180 Grad, und noch während der Landung schwang mein linker Unterarm in seinen Magen. Der Tritt gegen das Schienbein wäre gar nicht mehr nötig gewesen – wie ein gefällter Baum sank Arthur zu Boden. Das hässliche Geräusch, das meinem ersten Tritt gefolgt war, ließ auf einen gebrochenen Kiefer schließen.
    Okay, das hatte ich nicht geplant. Aber es war effektiv gewesen.
    Die Sache mit dem Überraschungsmoment hatte tatsächlich funktioniert, dachte ich noch zufrieden, als etwas (die eiserne Fackelhalterung, wie sich später herausstellte) auf meinen Hinterkopf niedersauste. Erst als mein Kopf neben Arthurs auf dem Steinboden aufschlug und mir schwarz vor Augen wurde, begriff ich, dass ich einen Fehler gemacht hatte: Ich hatte Mr Wus Kampfgrundsatz Nummer eins nicht befolgt: den gefährlichsten Gegner immer zuerst ausschalten.
    »Ich liebe es, wenn ein Plan funktioniert«, sagte Anabel, als ich wieder zu mir kam. Das war ebenfalls aus irgendeinem Film geklaut, aber mir fiel auch dieses Mal nicht ein, aus welchem. Mein Kopf schmerzte, als würde ein kleiner Bulldozer darin herumfahren, mein ganzer Körper tat weh, jetzt spürte ich sogar die geschundenen Fußsohlen. Ich lag auf dem harten Steinboden, und jemand – Anabel, nahm ich an – hatte meine Fuß- und Handgelenke mit Tape zusammengebunden, aber auch ohne das war ich nicht sicher, ob ich überhaupt ein Glied hätte rühren können. Selbst das Augenaufschlagen bereitete mir Schmerzen.
    »Oh, wie gut«, sagte Anabel erfreut. »Ich hatte schon Angst, du würdest deine eigene Hinrichtung nicht erleben. Der arme Arthur wird es wohl verpassen, wofür ich dir allerdings nicht undankbar bin. Ich war mir sowieso nicht sicher, ob er das hier durchstehen würde.«
    Meine Kehle war völlig ausgetrocknet, deshalb konnte ich nur krächzen. »Du? Warum …?« Mehr brachte ich nicht heraus. Anabel hatte meine Hände über meiner Brust gekreuzt, und ich bekam nur schwer Luft.
    Sie beugte sich über mich und kontrollierte meine

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