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Das erste Buch der Traeume

Das erste Buch der Traeume

Titel: Das erste Buch der Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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weißt du.«
    »Ach so. Natürlich nicht«, sagte ich mit meiner Therapeutinnenstimme und blickte prüfend zu Henry hinüber. Für einen Moment fühlte ich mich auf den Highgate-Friedhof zurückversetzt. Henry wusste, dass sie nicht von mir, sondern mit mir geträumt hatten, da war ich mir ziemlich sicher – aber wie es aussah, hatte er seinen Verdacht nicht mit den anderen geteilt. Von Grayson vielleicht abgesehen, der ja immerhin den Pullover zurückgefordert hatte.
    Die nächste Frage versuchte ich so zu formulieren, dass sie gezwungen waren, mir mehr Informationen zu liefern. »Aber was genau hat er euch getan, dieser Dämon? An den ihr ja augenscheinlich wirklich glaubt, oder nicht?«
    Wieder erntete ich nur Schweigen. Dummer Fehler, die zweite Frage hätte ich mir verkneifen müssen. Ich seufzte. So kam ich nicht weiter.
    »Okay«, sagte ich, um die ganze Sache abzukürzen.
    »Okay?« Nicht nur Jasper sah mich fragend an.
    Ich holte tief Luft und schaute einmal in die Runde. »Ich mache es. Ich ersetze Anabel in diesem Spiel. Aber nur, wenn ihr mir alle meine Fragen beantwortet, und glaubt mir, das sind wirklich viele.«
    Kaum hatte ich das gesagt, war die Stimmung im Raum wie ausgewechselt – zumindest fingen alle auf einmal an zu reden.
    »Heißt das, du bist noch Jungfrau?«, rief Jasper aus. »Ich wusste es! So eine hässliche Brille muss doch für irgendwas gut sein!«
    Arthur stellte die Ginflasche beiseite, stand auf und sagte feierlich: »Liv Silber, du rettest uns das Leben! Und ich verspreche dir, jede Frage zu beantworten, so gut ich das kann.« Er lachte. »Oh, ich würde dich jetzt so gern umarmen, aber wenn ich das mache, haut Grayson mir garantiert eine rein.«
    Grayson sah tatsächlich so aus, als würde er Arthur gern verprügeln. »Du weißt nicht, was du tust!«, sagte er und noch etwas anderes, das aber in dem Lärm unterging, den seine Freunde machten.
    Nur Henry schwieg. Er schaute mich lediglich an und schüttelte beinahe unmerklich den Kopf. Dann lächelte er.

19.
    »Ich bringe dich noch nach oben«, sagte Grayson, nachdem es ihm wie durch Zauberei gelungen war, Ernests fetten Mercedes in eine winzig kleine Parklücke zu manövrieren. »Damit du keinen Ärger kriegst, weil du so spät dran bist.«
    »Spinnst du?« Ich knallte die Beifahrertür sehr viel fester zu als nötig. »Es ist zehn nach elf, und wir sind nur schon hier, weil du dieses Märchen von der strengen Mutter erfunden hast und ich dich vor deinen Freunden nicht als Lügner dastehen lassen wollte …« Dabei wäre ich so gern noch geblieben. In der verbleibenden Zeit hatte ich ja nicht mal einen Bruchteil der Fragen stellen können, die in meinem Kopf herumschwirrten. Und auf der kurzen Fahrt hierher hatte Grayson nichts, aber auch gar nichts zur Klärung der Lage beigetragen, sondern mir nur Vorwürfe gemacht und dabei überdurchschnittlich oft die Worte »verdammt« und »dumm« gebraucht.
    Allerdings hatte ich auch so schon jede Menge Antworten bekommen, über die ich erst einmal gründlich nachdenken musste. Ehrlich gesagt konnte ich es gar nicht mehr erwarten, mir mein Ringbuch zu schnappen und alles aufzuschreiben – dieses Mal vielleicht mit Hilfe von übersichtlichen Schaubildern.
    Grayson war ebenfalls ausgestiegen. »Wir sind hier in London. Weißt du, wie hoch die Verbrechensrate in dieser Stadt ist?«
    »Ja, klar, und vor allem in dieser runtergekommenen Ecke hier ist es brandgefährlich.« Ich deutete auf die friedlich im Licht der nostalgischen Straßenlaternen vor sich hin schlummernde Straße, die wie aus einem Werbeprospekt für idyllisches, urbanes Wohnen aussah. »Straßenbanden liefern sich am laufenden Band Schießereien, Triebtäter lauern in den Vorgärten, und da vorne kommt gerade Jack the Ripper um die Ecke … oh, Scheiße.«
    Es war zwar nicht Jack the Ripper, der da gerade um die Ecke kam, sondern Mum, die ihre Abendrunde mit Butter gedreht hatte, aber das war annähernd genauso schlimm.
    »Wenn ich du wäre, würde ich jetzt ganz schnell wieder in dieses Auto steigen und davonfahren, Grayson!«, zischte ich.
    »Jetzt stell dich verdammt nochmal nicht so an. Ich will dich nur an die verdammte Tür bringen, weil sich das verdammt nochmal so gehört!« Grayson vertat seine letzte Chance zur Flucht, indem er mich wütend aus seinen karamellbonbonfarbenen Augen anfunkelte.
    Und da hatte Mum uns auch schon entdeckt. »Huhu«, rief sie und ließ Butter von der Leine, damit sie vorauslaufen und an

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