Das erste Buch der Traeume
auf der Party auf dich?«
»Doch, vermutlich.« Mit einer Hand angelte er sein iPhone aus der Jeans, mit der anderen drückte er bereits die Türklinke hinunter. »Holst du uns diese Muffins?«
Ich war so überrumpelt, dass ich fast zu spät geschaltet hätte. Aber dann fielen mir siedend heiß meine Traumprotokolle ein. Sie lagen im Zimmer auf einer Kommode, und ich wollte auf keinen Fall, dass Grayson sie sah. Also schubste ich ihn zur Seite und raffte das Ringbuch sowie alle lose herumfliegenden Zettel zusammen, bevor er einen Blick darauf werfen konnte. Aber darauf hatte er es gar nicht abgesehen. Er steuerte vielmehr zielstrebig auf mein Bett zu, genauer gesagt, auf dessen Fußende. Dort lag sein Kapuzenpulli, ordentlich gefaltet, damit Lottie nicht auf die Idee kam, ihn zu waschen, solange ich meine empirischen Untersuchungen noch nicht abgeschlossen hatte. Mit einem zufriedenen Lachen nahm er ihn an sich.
Schlagartig wurde mir alles klar. »Ach, deswegen das ganze Getue!«, sagte ich. »Du willst deinen blöden Pullover zurück.«
Mist, verdammter. Ich hatte ihn wirklich unterschätzt. So viel Raffinesse hatte ich ihm gar nicht zugetraut.
Grayson checkte sein iPhone. »Richtig«, sagte er lässig, den Blick auf das Display gerichtet. »Ich hatte das unbestimmte Gefühl, du würdest ihn freiwillig nicht wieder rausrücken … Oh, auf der Party scheint mächtig was los zu sein. Offenbar versucht Jasper gerade, den armen Nathan im Pool zu ertränken. Tja, dann bin ich jetzt mal wieder weg. Das will ich mir auf keinen Fall entgehen lassen. Träum was Schönes, Liv.«
Das selbstzufriedene Grinsen auf seinem Gesicht war kaum zu ertragen. Ebenso wenig wie das Gefühl, reingelegt worden zu sein.
»Nicht so schnell!« Ich warf mich mit dem Rücken gegen die Tür und versperrte ihm den Ausgang. »Wir haben uns doch noch gar nicht wieder vertragen!«
Damit hatte er offensichtlich nicht gerechnet. Er guckte verdutzt und sah gleich wieder mehr aus wie er selbst.
Ich bedachte ihn mit einem zuckersüßen Lächeln. »Soll ich Mum holen, damit sie uns dabei hilft? Sie ist in so etwas unheimlich gut.«
»Sehr witzig. Ich muss jetzt wirklich zurück«, sagte Grayson und machte zu meiner Genugtuung so gar keinen lässigen Eindruck mehr.
Ich rührte mich nicht von der Stelle. »Tja, das hättest du dir früher überlegen sollen. Ich meine, bevor du die Londoner Verbrechensrate ins Feld geführt hast. Weiß Emily eigentlich davon, dass du dich nachts mit deinen Freunden auf Friedhöfen triffst, um Dämonen zu beschwören?«
»Wir treffen uns nicht auf … nein. Das weiß sie nicht.« Unruhig begann er, im Zimmer auf und ab zu wandern. Offenbar hatte er begriffen, dass er nur mit Gewalt an mir vorbeikam. »Und sie soll es auch niemals erfahren. Emily ist der vernünftigste Mensch, den ich kenne. Sie würde nicht verstehen, wie man überhaupt in so eine Sache hineingeraten kann. Sie würde mich schlicht für verrückt erklären … Sie glaubt ja nicht mal an Horoskope.«
»Ich auch nicht, um ehrlich zu sein. Genauso wenig wie an Dämonen.«
»Ja, denkst du vielleicht, ich habe an so was geglaubt?«, fragte er aufgebracht. »Eigentlich glaube ich auch jetzt noch nicht daran. Es ist nur … es sind ein paar wirklich schlimme und seltsame Sachen passiert, und ich habe einfach keine logische Erklärung für das alles.«
Ich war zwar immer noch sauer, aber leider verstand ich ganz genau, was er meinte. »Wenn man alle logischen Lösungen eines Problems eliminiert, ist die unlogische – obwohl unmöglich – unweigerlich richtig«, sagte ich, und da lächelte er.
»Sherlock Holmes, richtig?«
Ich nickte überrascht.
Für einen Moment herrschte Schweigen zwischen uns. Grayson ließ sich auf meine Bettkante nieder und sah mich an, als warte er auf etwas.
Ich zögerte einen Moment. »Erzählst du mir davon?«, fragte ich dann. »Ich meine, so, dass ich eine Chance habe, das alles zu verstehen?«
»Ich weiß nicht …« Zweifelnd schob Grayson sich die Haare aus der Stirn. »Ich bin immer noch wütend auf dich, weil du nicht auf mich gehört hast.«
»Aber glaubst du nicht, es wäre besser, mich aufzuklären als mich weiterhin mit Vorwürfen zu überhäufen? Immerhin habe ich versprochen, dabei mitzumachen.«
»Noch könntest du es dir anders überlegen.« Ein Hoffnungsschimmer trat in seine Miene.
Ich schüttelte nur den Kopf und ließ mich neben ihm auf das Bett fallen. »Fang doch einfach bei den Träumen an«, sagte
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