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Das erste Buch der Traeume

Das erste Buch der Traeume

Titel: Das erste Buch der Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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ich.
    Er fing nicht bei den Träumen an, sondern ganz von vorn. Aber wenigstens fing er an. Von Jasper, Arthur, Henry und sich und ihrer Freundschaft seit Grundschultagen, von den Höhen und Tiefen und den Dummheiten, die sie im Laufe der Jahre gemeinsam erlebt und begangen hatten. Und schließlich auch von dieser seltsamen Nacht letztes Jahr an Halloween. So wie er davon erzählte, klang es nicht weniger lächerlich als vorhin bei Jasper, und ich bemühte mich um ein möglichst neutrales Gesicht, aus Sorge, er könne sonst gleich wieder aufspringen und davonlaufen. Aber ich muss zugeben, das war eine echte Herausforderung (ich meine, das mit dem neutralen Gesicht), erst recht, als Grayson schließlich widerstrebend ins Detail ging.
    Anabel hatte ihnen ein staubiges Buch mit versiegelten Seiten gezeigt, das angeblich schon seit Generationen im Besitz der Familie war. Befolgte man die Rituale in diesem Buch, behauptete Anabel, beschwor man einen uralten Dämon aus der Unterwelt herauf, der einem zu unermesslicher Macht verhelfen und die sehnlichsten Herzenswünsche erfüllen konnte.
    »Ja. Und Unsterblichkeit war bestimmt auch noch im Angebot, oder?«, konnte ich mir gerade noch so verkneifen zu sagen. Nicht zu fassen. So betrunken konnte man doch gar nicht sein? Aber offenbar schon. Denn beim Nachspielen des gruseligen Initiationsrituals hatten sie sich richtig ins Zeug gelegt, wenn ich Grayson glauben durfte: Nachdem sie das erste Siegel gebrochen hatten, zeichneten sie mit Kreide magische Symbole auf den Fußboden, malten sich gegenseitig geheimnisvolle Worte auf die Haut und sprachen die Formeln und Treueschwüre nach, die Anabel ihnen vorlas – die Hälfte davon auf Lateinisch. Mit salbungsvollen Worten versprachen sie, den Regeln des Buches bis zum Ende zu folgen und den Dämon aus der Unterwelt zu befreien, wenn er im Gegenzug ihre geheimen Wünsche erfüllte, welche sie auf Zettel schrieben und feierlich in Flammen aufgehen ließen. Das Ganze besiegelten sie mit ihrem Blut, das sie in einen Kelch tropften und – mit Rotwein aufgegossen – reihum tranken. Kurzum, sie benahmen sich wie im Kindergarten. Na gut, wie im Vampir-Kindergarten.
    Mich wunderte gar nicht, dass Grayson an dieser Stelle der Erzählung einen beschämten Laut von sich gab, eine Mischung aus Stöhnen und Jaulen.
    »Und, ist er euch erschienen, euer Dämon?« Das mit dem neutralen Gesichtsausdruck konnte ich jetzt endgültig vergessen. »Oder hattet ihr am nächsten Tag einfach nur einen fiesen Kater?«
    Grayson funkelte mich an. »Ich weiß selbst, wie lächerlich das klingt. Und ich hätte das Ganze ja auch sofort wieder vergessen, genau wie die anderen. Aber schon in der nächsten Nacht fingen diese Träume an …« Er schauderte. »Im Traum erinnerte mich der Dämon an das Versprechen, das wir ihm für die Erfüllung unserer Wünsche gegeben hatten.«
    »Logisch. Dein Unterbewusstsein musste diesen Schwachsinn ja irgendwie verarbeiten«, sagte ich.
    »Kann schon sein.« Grayson rieb sich über die Stirn. Er hatte plötzlich genau den gleichen Gesichtsausdruck wie Mum, wenn sie verzweifelt nach etwas sucht, das sie verlegt hat. »Aber wie erklärst du dir dann, dass wir in der Nacht alle exakt das Gleiche geträumt haben? Ohne Ausnahme. Von jedem hat der Dämon dasselbe verlangt: Wir sollten das zweite Siegel brechen und mit dem nächsten Ritual fortfahren …«
    Irgendwo in Graysons Hosentasche piepte es, offenbar der Signalton seines Handys, das eine eingehende SMS ankündigte. Er zog es nicht mal heraus, aber ich war froh um die kurze Ablenkung, weil ich für einen Moment tatsächlich ein mulmiges Gefühl in der Magengegend verspürt hatte.
    »Ihr habt also alle von einem Dämon geträumt?« Das wollte ich jetzt genauer wissen. »Wie sah er denn aus?«
    Grayson machte eine unbestimmte Handbewegung. »Ich glaube, nur in Jaspers Träumen hatte er überhaupt eine Gestalt – er schwört bis heute, der Dämon habe ausgesehen wie Saruman, der Weiße, nur mit Hörnern und einem schwarzen Umhang –, bei uns anderen war er lediglich ein Schatten, eine wispernde Stimme, eine körperlose Präsenz, was aber nicht so angsteinflößend war, wie es klingt, eher … ich weiß auch nicht … verführerisch .« Er seufzte. »Ein merkwürdiger Zufall? Wir waren uns nicht sicher. Und öffneten das zweite Siegel in Anabels Buch.«
    Ich hätte vermutlich genau dasselbe getan.
    »Diesmal war ich nüchtern, deshalb kam mir das Ritual noch ein bisschen

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