Das erste Buch der Traeume
erleben, und sie ist fünfzehn und ziemlich scharf, jedenfalls wenn sie ihre komische Brille nicht trägt, also ist die Frage ja wohl berechtigt. Bist du noch Jungfrau, Liv, ja oder nein?«
Ich starrte ihn entgeistert an. »Ihr spielt ein Spiel, bei dem man nur als Jungfrau mitspielen darf?«
»Oh, gut gemacht, Jasper, jetzt hält sie uns für verrückt«, sagte Henry.
»Das wollte ich nicht.« Jasper verzog reuevoll das Gesicht. »Ich wollte nur keine Zeit verlieren … Wie hättet ihr es denn angefangen?«
Henry lehnte sich mit dem Rücken gegen die Wand und verschränkte seine Arme. »Wir hätten vermutlich erst mal auf die Vorzüge des Spiels hingewiesen, bevor wir zum verrückten Teil übergegangen wären.«
»Langsam und behutsam.« Arthur sah deutlich weniger amüsiert aus als Henry.
»Und was genau ist das für ein Spiel?«, fragte ich schnell.
Arthur öffnete den Mund, um zu antworten, aber Jasper kam ihm zuvor. »Auf jeden Fall eins ohne Würfel. Und ums Gewinnen geht es auch nicht. Es ist mehr so eine Art Rollenspiel … obwohl man eigentlich auch keine Rolle spielt. Im Grunde ist es gar kein Spiel . Wenn du jetzt verwirrt bist, geht es dir wie mir. Ich finde das nämlich auch verwirrend. Sehr verwirrend. So verwirrend, dass ich uns jetzt erst mal was zu trinken mache.« Er hatte die Gläser nebeneinander auf der Sitzlehne aufgereiht und schraubte den Deckel einer Ginflasche auf.
Arthur sah aus, als würde er Jasper am liebsten packen und ihm den Mund zuhalten, aber nach einem Blick zu Henry begnügte er sich damit, Jasper wütend anzufunkeln. Jasper wiederum entgingen die Bemühungen seiner Freunde, wortlos mit ihm zu kommunizieren, völlig. »Ich gebe gerne zu, dass ich es bis heute nicht richtig kapiert habe«, plapperte er weiter. »Vor allem diese Traumsache ist irgendwie zu hoch für mich. Aber mit ein bisschen Übung hat es auch bei mir geklappt, und, wow, die Sache mit den Wünschen hat mich echt umgehauen, und ja, es ist cool, jedenfalls war es das, bis … oh, Mist, ich habe den Messbecher vergessen.«
Das durfte doch wohl nicht wahr sein! Jetzt fing er mit dem blöden Messbecher an. »Bis was?«, fragte ich, ungeduldiger als beabsichtigt.
»Bis wir gegen die Spielregeln verstoßen haben. Na ja, eigentlich nur Anabel, aber das macht für ihn wohl keinen Unterschied.« Jasper hatte beschlossen, sich wegen des Messbechers nicht länger zu grämen. Großzügig verteilte er den Gin über die Eiswürfel. »Es ist nämlich so, dass mindestens einer der Mitspieler jungfräulichen Blutes sein muss, weil das letzte Siegel nur mit Hilfe von jungfräulichem Blut gebrochen werden kann, und letztes Jahr an Halloween, als wir mit dem Spiel angefangen haben, dachte ich noch, dass das mit dem jungfräulichen Blut quasi auf alle zutraf, bis auf mich und Anabel … ’tschuldige, Arthur …«
»Schon okay.« Arthur hatte sich in einen der Kinosessel fallen gelassen und den Kopf in seinen Händen vergraben. Offenbar hatte er es aufgegeben, Jasper zum Schweigen bringen zu wollen.
Ich rieb mir unauffällig über die Arme, auf denen sich eine Gänsehaut gebildet hatte, weil mir gerade aufging, dass das, was Jasper gesagt hatte, ziemlich genau mit der Geschichte zusammenpasste, die Anabel mir erzählt hatte. Letzte Nacht im Traum. Von einem Spiel, das sie an Halloween begonnen hatten und das aus dem Ruder gelaufen war … und dass es ihre Schuld gewesen war.
Kurz sah ich zu Henry hinüber, der nach wie vor an seinem Platz an der Wand lehnte. Ähnlich wie Arthur machte er keinen Versuch mehr, Jasper zu stoppen. Vielleicht weil ich bisher noch nicht schreiend davongelaufen war, vielleicht aber auch nur, weil Jasper einfach nicht zu stoppen war.
Er hatte den Gin beiseitegestellt und goss nun Martini in die Gläser, ebenfalls reichlich. Allein von dem Geruch konnte man schon beschwipst werden. »Jedenfalls hat sich dann herausgestellt, dass Grayson überraschenderweise doch was mit Maisie hatte und Henry ein blöder Geheimniskrämer ist, der uns sowieso nie was verrät, und Arthur mit fünfzehn von dieser wahnsinnig süßen französischen Praktikantin entjungfert wurde, aber leider versäumt hat, das seinem allerbesten Freund zu erzählen …« Jasper bedachte Arthur mit einem vorwurfsvollen Blick. »Und dass in Wirklichkeit – wer hätte das gedacht? – Anabel tatsächlich bei Spielbeginn die Einzige von uns war, die noch keinen Sex hatte. Was ja im Grunde auch völlig gereicht hätte. Aber dann hat Anabel
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