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Das erste Buch der Traeume

Das erste Buch der Traeume

Titel: Das erste Buch der Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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Minzbüschel und zerrieb sie zwischen seinen Fingern.
    »Und warum ?«, fragte ich.
    Henry hob den Kopf. »Warum wir das Spiel spielen, oder warum die Spielregeln besagen, dass mindestens einer der Mitspieler Jungfrau sein muss?«
    »Beides«, sagte ich.
    Das Schweigen dehnte sich aus. Selbst Jasper gab mir keine Antwort, sondern holte ein Taschenmesser aus seiner Jeans und versuchte damit, eine der Orangen in Scheiben zu schneiden, was aber nicht besonders gut gelang.
    »Na ja, sagen wir mal so.« Es war Arthurs Stimme, ein wenig metallisch und hohl, die die Stille im Raum schließlich unterbrach. »Es war Halloween, und im ganzen Norden von London war der Strom ausgefallen, weswegen die Halloweenparty früher zu Ende war. Wir waren total aufgedreht und verliebt und bereit, etwas Verrücktes zu tun.«
    »Du warst verliebt«, stellte Henry richtig. »Wir anderen waren einfach nur betrunken …«
    »Das stimmt.« Grayson ließ sich resigniert mit dem Rücken gegen die Tür fallen.
    »Die Stimmung war jedenfalls bestens«, fuhr Arthur fort. »Es war mitten in der Nacht, wir waren allein bei Anabel zu Hause, und der französische Rotwein von Anabels Vater hatte es wirklich in sich …«
    »Du darfst nicht vergessen zu erzählen, dass draußen so richtig gruseliges Halloweenwetter herrschte, mit Nebel und so.« Jasper riss das Wort wieder an sich, ohne aufzuhören, die Orange zu massakrieren. »Anabel hatte jede Menge Kerzen angezündet, und als sie dann mit diesem unheimlichen Buch ankam und vorschlug, mal was ganz anderes auszuprobieren, fühlte es sich irgendwie so … richtig an. Eine Dämonenbeschwörung an Halloween – ich meine, das passt doch perfekt, oder etwa nicht? Es hat auch echt Spaß gemacht, am Anfang, und es kam mir so harmlos vor wie … wie Bleigießen an Silvester. Da rechnet ja auch niemand damit, dass das Blei sich plötzlich selbständig macht und einen nachts in seinen Träumen heimsucht. Oder Hunde ermordet …«
    Na endlich.
    »Das ist also euer Spiel? Eine Dämonenbeschwörung?« Und was hatte es mit diesem Hund auf sich?
    Jasper nickte. »Ich weiß, das hört sich total idiotisch an.«
    »Das ist auch total idiotisch«, sagte Grayson.
    »Es sollte doch nur ein Spaß sein. Niemand von uns hat geglaubt, dass es wirklich funktioniert.« Jasper seufzte. »Wir haben Anabel einfach nur diese Formeln nachgesprochen, ein bisschen Blut in unseren Rotwein geträufelt, einen lustigen Dudenfuß auf den Boden gemalt und uns etwas gewünscht …«
    »Zum tausendsten Mal, Jas: Es heißt Drudenfuß«, sagte Henry.
    »Wie auch immer.« Jasper verdrehte die Augen. »Niemand hat ahnen können, dass die Sache so … so echt werden würde.«
    Das hörte sich an, als hätten sie eher einen Exorzisten nötig als eine Jungfrau. »Diese Dämonenbeschwörung hat also wirklich funktioniert?« Vor lauter Anstrengung, jeglichen Anflug von Zweifel und Spott aus meiner Stimme zu verbannen, klang ich wie eine um Verständnis bemühte Therapeutin aus einem schlechten Fernsehfilm. Eine, der man genau anhört, wie irre sie ihre Patienten findet. »Wie genau muss ich mir das denn vorstellen?«
    Niemand antwortete mir. Henry ließ scheinbar gedankenverloren grüne Minzekrümel zu Boden rieseln, Arthur sah mit gerunzelter Stirn den Eiswürfeln in Jaspers Gläsern beim Schmelzen zu, Grayson kaute auf seiner Unterlippe, und Jasper hackte erneut auf die Orange ein.
    Allmählich hatte ich es satt, ihnen all ihre Geheimnisse stückchenweise aus der Nase zu ziehen, zumal eine Antwort ja immer gleich zehn weitere Fragen aufwarf. »Ihr habt also letztes Jahr an Halloween zum Spaß einen Dämonen beschworen«, fasste ich noch einmal zusammen. »Nach einer Spielanleitung, die ihr in einem alten Buch gefunden habt und die besagt, dass einer der Mitspieler Jungfrau sein muss. Weil eure Jungfrau aber jetzt keine Jungfrau mehr ist, braucht ihr einen Ersatzspieler. Und dafür habt ihr aus irgendeinem Grund mich ausgesucht.«
    Den Grund kannte ich: weil ich in diesem Traum Montagnacht direkt vor ihren Füßen gelandet war.
    »Vorausgesetzt, du bist noch Jungfrau«, bestätigte Jasper.
    »Ja, das habe ich verstanden. Was ich nicht verstanden habe, mal abgesehen davon, wie das Spiel funktioniert – warum hört ihr nicht einfach damit auf?«
    »Oh, glaub mir, so einfach geht das nicht«, Jasper beugte sich vor und fuhr mit gedämpfter Stimme fort: »Wir haben es versucht, aber man kann keinen Pakt mit einem Dämon schließen und dann aussteigen,

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