Das erste Buch der Traeume
gefunden, und zwar ganz allein, ohne dämonische Hilfe.«
»Und da bist du dir ganz sicher?«
Na ja …
»Ja«, sagte ich mit fester Stimme. »Und zwar deshalb, weil es keine Dämonen gibt. Na gut, ihr habt die Basketball-Meisterschaft gewonnen, und Grayson und Florence haben diese Genmutation nicht geerbt – aber wo bitte ist da der Zusammenhang? Es ist ganz einfach: Solange ich diesen Dämon nicht leibhaftig vor mir stehen sehe, glaube ich nicht an seine Existenz. Eine Erscheinung im Traum zählt nicht – das wäre wieder reine Psychologie.«
»Und wenn dein Herzenswunsch in Erfüllung ginge?« Henry sah vor sich auf den Boden und schob mit seiner Schuhspitze kleine Steinchen hin und her.
»Das käme auf den Wunsch an«, sagte ich. »Nur wenn ich mir etwas absolut Unmögliches gewünscht hätte, so wie … wie mit Tieren zu sprechen, in der Zeit zu reisen oder Lottie mit Prinz Harry zu verheiraten, würde meine Überzeugung vielleicht ins Wanken geraten. Obwohl – so unwahrscheinlich wäre das mit Lottie und Prinz Harry nun auch wieder nicht, dass man deshalb gleich an Dämonen glauben müsste. Was hast du dir eigentlich gewünscht?«
Henry antwortete nicht. Sein Blick wanderte sehr langsam von den Steinchen zu meinen Füßen, die Beine hinauf über mein Ninja-T-Shirt bis hoch in mein Gesicht, und ich spürte, dass ich rot wurde. Schon wieder. Als er bei meinen Augen angekommen war, sagte er: »Wie gesagt, ich muss jetzt gehen. Es war aber wieder sehr nett, mit dir zu träumen, Liv.«
Na, das war doch typisch. Immer musste er gehen, wenn es zu persönlich wurde. »Ist es in Erfüllung gegangen?«, fragte ich hinter ihm her.
Schweigen.
Er war schon bis zu dem Felsen mit der grünen Tür gelangt, als er sich wieder zu mir umdrehte, die Hand bereits um die Messing-Eidechse gelegt. »Ich wusste genau, dass du mitmachen würdest. Du warst viel zu neugierig, um nein zu sagen. Irgendwie wäre ich auch enttäuscht gewesen.«
»Ich war nicht nur neugierig – ich … ich …« Stammelnd suchte ich nach den richtigen Worten.
»Sag bloß, die Sache mit dem Herbstball hat dich überzeugt?«
»Haha.«
»Was war es dann?«, wollte er wissen.
»Ich dachte, ihr braucht meine Hilfe«, sagte ich mit fester Stimme. »Gegen diesen gefährlichen Dämon, vor dem ihr solche Angst habt.«
»Und ich dachte, du glaubst nicht an Dämonen?«
»Eben! Deshalb bin ich ja auch die Richtige dafür. Jetzt mal ehrlich, Henry, glaubst du denn an diesen Dämon? In echt, meine ich?«
»In echt?« Er hatte die Tür geöffnet, und hinter ihm konnte ich das diffuse Licht des Korridors erkennen. Aber jetzt ließ er die Eidechse los und war mit ein paar Schritten wieder bei mir. Ehe ich reagieren konnte, hatte er sich zu mir hinuntergebeugt und mich auf den Mund geküsst. Es war kein besonders langer Kuss, eigentlich nicht viel mehr als eine ganz zarte Berührung seiner Lippen, trotzdem schloss ich meine Augen, es war wie ein Reflex, gegen den ich mich nicht wehren konnte.
Als ich sie einen Schmetterlingsflügelschlag später wieder öffnete, war Henry schon zurück auf der Türschwelle. Weit weg von mir.
»Was echt ist und was nicht, das kann man in dieser Sache nur schwer unterscheiden«, sagte er. »Und ja – ich glaube, dass es hier nicht mit rechten Dingen zugeht. Aber das muss ja nicht unbedingt schlecht sein.« Und damit ließ er die Tür sanft hinter sich ins Schloss fallen und war verschwunden.
21.
»Das Buffet wird einen Querschnitt durch alle Spezialitäten der damaligen Kolonien bieten, und sie werden über der Tanzfläche Herbstlaubkonfetti von der Decke rieseln lassen.« Persephone nahm einen Schluck von ihrem Mineralwasser, um sich die Kehle zu befeuchten. Das hatte sie auch dringend nötig, denn seit einer Viertelstunde schwärmte sie ununterbrochen von den streng geheimen Überraschungen, die der Herbstball für seine Gäste bereithalten würde. Bis jetzt war allerdings noch nichts wirklich Überraschendes dabei gewesen. Trotzdem hingen die beiden Mädchen, die mit uns am Tisch in der Cafeteria saßen, wie gebannt an Persephones Lippen. Ich hatte ihre Namen vergessen, gut möglich, dass sie sie mir auch noch gar nicht verraten hatten, in Gedanken nannte ich sie deshalb der Einfachheit halber Himpelchen und Pimpelchen.
»Nicht zu fassen, dass du da jetzt schon zum zweiten Mal hingehen darfst«, sagte Himpelchen. »Du hast ja so ein Glück.«
»Das hat mit Glück nichts zu tun.« Persephone bedachte mich mit einem
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