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Das erste Buch der Traeume

Das erste Buch der Traeume

Titel: Das erste Buch der Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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eine Herde Wale unten in der Bucht ihre Bahnen zog … oh mein Gott! Und hatte ich gerade wirklich gedacht, sein Haar sähe in diesem Licht aus wie aus purem Gold gesponnen? Das war ja … brechreizerregend. Ich hatte sie wohl nicht mehr alle! Es fehlte nicht mehr viel, und ich würde zu einer dieser hormongesteuerten Dumpfbacken mutieren, die Mia so verachtete.
    Abrupt ließ ich seine Hand los.
    Henry sah mich fragend an, und ich konnte seinem Blick kaum standhalten. Was sollte er von mir denken? Erst musste er mich vor einer gewalttätigen Mädchengang retten, und dann schleppte ich ihn zum Sonnenuntergang in die Hügel, die Gitarre schon bereitgelegt …
    Ich versuchte, einen sachlichen Ton anzuschlagen. »Du hast meine Frage immer noch nicht beantwortet: Was hast du in meinem Traum zu suchen?«
    Henry lehnte sich zurück und verschränkte seine Arme.
    »Und wie bist du durch meine Tür gekommen? Ich dachte, das geht nur, wenn man …« Ich verstummte wieder.
    »Wenn man was ? Graysons Pullover trägt?« Mit einem boshaften kleinen Lachen zog Henry einen glitzernden Gegenstand aus seiner Hosentasche und hielt ihn in die Luft. Es war meine Schmetterlings-Haarspange.
    Ich schluckte. Ach, so war das.
    »Genau genommen braucht man nur etwas, das dem anderen gehört«, fuhr Henry fort und drehte die Haarspange zwischen seinen langen Fingern. »Und dann muss man natürlich die richtige Tür finden und die Barrieren überwinden.« Er sah sich irritiert um. »Wo kommt denn der Nebel plötzlich her?«
    »Tja, hier scheint eben auch nicht immer nur die Sonne«, sagte ich schnippisch. »Genauer gesagt ist diese Ecke hier durchaus für ihre Wetterumschwünge bekannt.« Was gelogen war. Ich hatte nur die romantisch-rosige Wärme des Sonnenuntergangs ein wenig mildern wollen. Und Nebel war das Erste, was mir spontan eingefallen war. Leider war es immer noch romantisch, wie die Nebelschwaden jetzt majestätisch vom Meer die Hügel hinaufzogen. Aber wenigstens herrschte nicht mehr dieses kitschige Weichzeichnerlicht, bei dem ich nicht klar denken konnte.
    »Was für Barrieren meinst du?« Ich sah mich nach meiner Tür um. Wo war sie eigentlich? Ah, gleich dahinten, eingebettet in einen der riesigen Felsbrocken, denen der Park seinen Namen zu verdanken hatte.
    Henry zuckte mit den Schultern. »Na ja, die meisten Menschen schützen ihre Tür unterbewusst. Mehr oder weniger stark. So wie Grayson mit dem Fürchterlichen Freddy. Aber bei dir konnte man einfach hereinspazieren. Da war keine Barriere, nicht die allerkleinste.«
    »Verstehe«, sagte ich langsam und versuchte so auszusehen, als verstünde ich wirklich. »Bei mir kann man einfach so hereinspazieren, wenn man mir zum Beispiel eine Haarklammer geklaut hat?«
    »Ja. So sieht es aus. Offensichtlich bist du ein sehr vertrauensvoller Mensch.« Ich versuchte, mich nicht von seinem Lächeln ablenken zu lassen. »Du aber nicht. Dein Unterbewusstsein hat gleich drei Schlösser an deiner Tür installiert.«
    Henry schüttelte den Kopf. »Nein, Liv. Das war nicht mein Unterbewusstsein. Das war ich .« Er rieb sich fröstelnd über die nackten Arme. »Kannst du nicht wieder die Sonne scheinen lassen? Das war wirklich viel schöner. Ich meine, wann ist man schon mal in Kalifornien?«
    Ich kaute nachdenklich auf meiner Unterlippe. »Also könnte ich meine Tür auch gegen unerwünschte Besucher absichern?«
    »Ja, das solltest du sogar.« Henrys Tonfall hatte sich verändert. Er klang jetzt nicht mehr amüsiert, sondern todernst. »Es könnte durchaus sein, dass sich noch andere für deine Träume interessieren. Nirgendwo lernt man einen Menschen besser kennen, und nirgendwo kann man mehr über seine Schwächen und Geheimnisse erfahren als in seinen Träumen.«
    »Verstehe …« immer noch nicht ganz . Ich sah wieder zu der Tür hinüber. Ein unheimlicher Gedanke, dass jeder, der einen persönlichen Gegenstand von mir besaß, einfach so in einen meiner Träume hereinplatzen konnte. Das war ja noch viel schlimmer als die Vorstellung, jemand würde in meinem Traumtagebuch lesen. Plötzlich hatte ich das dringende Bedürfnis, die Tür mit Brettern zu vernageln und Vorhängeschlösser anzubringen und einen riesigen Wachhund zu organisieren.
    »Warum hat Grayson seine Tür denn nicht besser geschützt?«, fragte ich. »Ich meine, jeder Depp kann Freddy rückwärts sagen.«
    »Grayson ist der ehrlichste und offenherzigste Mensch, den ich kenne«, erwiderte Henry. »Ich glaube nicht, dass er in

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