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Das erste Buch der Traeume

Das erste Buch der Traeume

Titel: Das erste Buch der Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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museumsreifes Handy, von dem ich mir schon seit Jahren wünsche, dass es jemand klaut.«
    Als Henry lachte, zog sich meine Magengegend zusammen. Er bekam so süße Kringel in den Mundwinkeln, wenn er lachte, und er hatte übrigens auch schöne Zähne, und es war mir ein Rätsel, wie ich jemals hatte denken können, seine Nase sei zu lang. Und diese unglaublich faszinierenden Augen …
    »Geht es dir gut?«, erkundigte er sich angelegentlich.
    »Bestens«, sagte ich und gab mir in Gedanken eine kräftige Ohrfeige.
    »Und was ist nicht gewiss?«
    Ha! »Das wüsstest du wohl gern, was?« Henry musste vergangene Nacht versucht haben, durch meine grüne Tür in meine Träume zu gelangen – das würde auch die dunklen Schatten unter seinen Augen erklären. Ich grinste schadenfroh. Was ist nicht gewiss ? Diese Frage war Bestandteil der Barrieren, mit der ich die Tür gesichert hatte. Und zwar viel phantasievoller, als Henry mit seinen langweiligen Schlüsseln und mit einem deutlich höheren Schwierigkeitsgrad als bei Grayson. Nur wer die richtige Antwort kannte, durfte passieren.
    Henry lächelte. »Ja, das wüsste ich furchtbar gern. Aber ich bin froh, dass du meinen Rat befolgt hast. Sehr wirkungsvolle Barriere. Jedenfalls bei mir.«
    »Nicht nur bei dir«, sagte ich selbstsicher.
    »Stammt es aus einem Gedicht? Shakespeare, vielleicht?«
    »Nein«, sagte ich. »Viel schwieriger. Shakespeare kann doch jeder dahergelaufene Dämon googeln.«
    »Hm.« Henry zog die Stirn kraus. »Ich liebe Rätsel.«
    Genau wie ich.
    Wir schwiegen einen Moment. »Apropos«, sagte Henry dann, »ich soll dir übrigens ausrichten, dass wir uns am Samstag bei Jasper treffen, um deine Aufnahme in den Zirkel zu vollziehen. Seine Eltern sind übers Wochenende verreist.«
    Am Samstag schon? »Ich dachte, das geht nur an Neumond.« Ich verkniff mir die anderen Fragen, die sich zeitgleich über meine Lippen drängen wollten. (Tut das weh? Ist es schlimm, dass ich kein Blut sehen kann? BIN ICH EIGENTLICH WAHNSINNIG?)
    »Nein, Samstag ist ein guter Tag dafür. Es sei denn, du überlegst es dir noch anders.«
    Ich schüttelte langsam den Kopf. »Schiffe sind nicht dafür gemacht, im Hafen zu liegen«, zitierte ich Mr Wu.
    »Fein«, sagte Henry. »Dann sehen wir uns am Samstag.«
    »Ja, das ist gewiss«, erwiderte ich, um ihn zu ärgern.
    »Oh, wie gemein. Kannst du mir nicht wenigstens einen kleinen Hinweis geben?«
    In diesem Augenblick klingelte es. Die Mittagspause war vorbei. Noch mehr Schüler drängelten sich in den Gang, das Stimmengewirr wurde lauter, Spindtüren wurden geöffnet und zugeknallt.
    »Ein Hinweis? Na gut.« Ich musste zugeben, das hier machte Spaß. »Mal überlegen … die Antwort muss auf Deutsch erfolgen. Hilft dir das weiter?«
    »Nein, nicht wirklich.« Henry kaute grübelnd auf seiner Unterlippe herum. »Deutsch, also. Deshalb auch dieses Dirndl … Oh, hi, Florence. Emily. Und Sam. Schon wieder.«
    Oh nein, ich musste weg. Auch wenn Sam von nahem gar nicht so picklig aussah, wie ich gedacht hatte.
    Florence zauberte ein Lächeln in ihr Gesicht, ich staunte, wie professionell sie das konnte. »Hallo, Liv, wie schön, dass ich dich hier treffe. Das sind Sam und Emily.«
    »Ich bin Sams Schwester«, ergänzte Emily. »Und Graysons Freundin. Freut mich, dich kennenzulernen. Am Samstag auf der Party sind wir irgendwie gar nicht dazu gekommen.«
    Richtig, erst hast du rumgeknutscht, als gäbe es kein Morgen, und dann habe ich deinem Freund und seinen Freunden versprochen zu helfen, einen Dämon aus der Unterwelt zu befreien.
    Sam sagte gar nichts. Er guckte nur unbehaglich. Henry hingegen machte einen ausgesprochen amüsierten Eindruck.
    »Sam ist sechzehn. Und wahnsinnig schlau«, sagte Florence.
    »Ja, sein IQ liegt fünfzehn Punkte über meinem. Und mich hat man schon als hochbegabt eingestuft«, sagte Emily.
    Ach du Scheiße.
    »Er hat zwei Klassen übersprungen und macht im Sommer seinen Abschluss.« Eine Mutter hätte nicht stolzer klingen können als Florence. »Und dann – wo wirst du noch mal studieren, Sam?«
    »Harvard«, sagte Sam und guckte noch unbehaglicher.
    »Ach, so ein Zufall!«, flötete Florence. »Liv ist nämlich zur Hälfte Amerikanerin, und soviel ich weiß, kommt ihre Familie aus der Gegend um Boston, richtig?«
    »Ähm, ja. Meine Großeltern und meine Tante Gertrude leben dort.« Ich klappte die Tür meines Spinds zu. »Ich hab’s leider eilig, ich muss hoch in den dritten Stock.«
    »Ach, wie

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