Das erste Buch der Traeume
Ärmel fort. »Ich habe gleich gesagt, das ist eine dumme Idee.«
Florence folgte den beiden, nachdem sie uns einen letzten prüfenden Blick zugeworfen hatte. »Hast du nicht!«, hörten wir sie noch sagen.
Ich atmete auf. »Das war knapp«, sagte ich und schaute in Henrys lachende graue Augen. »Danke!«
»Nichts zu danken, Käsemädchen. Verrätst du mir denn jetzt, was nicht gewiss ist?«
»Nein! Aber weil du gerade so nett warst, gebe dir noch einen kleinen Hinweis«, fügte ich hinzu und senkte meine Stimme zu einem geheimnisvollen Raunen. »Es geht um jemanden namens Hans.«
Und dann musste ich wieder rennen, um noch rechtzeitig zum Erdkundeunterricht zu kommen.
22.
Am darauffolgenden Samstag zogen wir bei den Finchleys aus und bei den Spencers ein. Keine große Sache, um ehrlich zu sein. Ernest hatte ursprünglich drei Tage für den Umzug eingeplant. Er hatte einen neuen Akkuschrauber und eine neue Bohrmaschine gekauft, Mrs Dimbleby für die Verpflegung sowie seinen Bruder Charles »fürs Grobe« engagiert, einen LKW gemietet und alles generalstabsmäßig durchorganisiert. Erst als Mum ihm unsere eingelagerten Habseligkeiten zeigte, war ihm klargeworden, dass es für die paar Kartons reichte, zweimal mit Charles’ Kombi hin- und herzufahren. Und dass wir weder Gemälde noch Möbel besaßen, für deren Montage man Akkuschrauber oder Bohrmaschine benötigte, und auch sonst nichts, das eine generalstabsmäßige Planung rechtfertigte. Ich fragte mich, was er erwartet hatte: Wir hatten immer nur möbliert gewohnt und gelernt, unsere Zuneigung nicht an Gegenstände zu hängen, die größer waren als ein Buch. (Von meiner Gitarre und einem Teddybären namens Mr Twinkle mal abgesehen.)
Außerdem waren wir ausgesprochen umzugserfahren und routiniert, wenn es um das Auspacken von Kisten ging. Noch vor dem Mittagessen hatten all unsere Besitztümer ihren Platz gefunden, der Dreck war beseitigt, und Mum sagte, was sie immer sagte, wenn sie die Bücherregale fertig eingeräumt hatte: »Zu Hause ist da, wo deine Bücher sind.«
Ernest guckte ziemlich verwirrt aus der Wäsche. Seinem generalstabsmäßigen Plan zufolge hatte es nach der Stärkung mit Mrs Dimblebys Shepherd’s Pie erst richtig losgehen sollen. Stattdessen machten alle Feierabend. Bis auf Grayson, der musste in die Schule, weil die Frognal Flames heute ihr Saison-Auftaktspiel bestreiten mussten. Mum schlug vor, den freien Nachmittag zu nutzen und als Zuschauer in die Halle zu gehen, um Grayson anzufeuern. Sie war in ihrer Jugend bei den Cheerleadern gewesen und hätte es toll gefunden, wenn Mia und ich diesbezüglich in ihre Fußstapfen treten würden. Als sie hörte, dass es an der Frognal Academy gar keine Cheerleader gab, war sie entsetzt, murmelte etwas von »emotionslosen Briten« und verfolgte ihren Plan nicht weiter. Stattdessen gesellte sie sich zu Mrs Dimbleby in die Küche, um ihr das Rezept für den Shepherd’s Pie zu entlocken. Nicht, dass Mum wirklich kochen konnte, aber sie erweckte gern den Eindruck. Und der Shepherd’s Pie war wirklich gut gewesen, so gut, dass Mia ihre vegetarische Phase kurzerhand für beendet erklärte.
Mrs Dimbleby war um die sechzig, hatte zartrosa getöntes Haar (ein Friseurunfall, wie sie mir versicherte) und war ein bisschen korpulent. Wegen ihres herzlichen Lächelns und der Tatsache, dass sie Buttercup in der Küche mit zarten Fleischbröckchen fütterte, schloss ich sie gleich in mein Herz.
Mit meinem neuen Zimmer war ich ebenfalls sehr zufrieden. Es war zwar das kleinste der fünf Schlafzimmer im ersten Stock, aber mit sechzehn Quadratmetern immer noch größer als so manches Zimmer, das Mia und ich uns in den letzten Jahren geteilt hatten, und ich fühlte mich auf Anhieb wohl darin. Ich liebte den Holzboden, die Einbauregale und die hell gestrichenen Wände, aber das Beste war die breite, gepolsterte Fensterbank, von der man in den Garten blicken konnte. Der einzige Nachteil war, dass das Zimmer direkt neben dem Master-Bedroom von Ernest und Mum lag. Ich konnte nur hoffen, dass die Wände dick genug waren, um das nachts vergessen zu können. Überhaupt hoffte ich sehr, dass Ernest nicht die Angewohnheit hatte, in Unterhosen durch das Haus zu laufen, ich wusste nicht, ob meine Nerven dafür stark genug waren. Zum Master-Bedroom gehörte aber selbstverständlich ein eigenes Badezimmer, Florence, Grayson, Mia und ich mussten uns das Bad teilen, das gleich neben dem Treppenaufgang lag. Obwohl es mit zwei
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