Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das erste der sieben Siegel

Titel: Das erste der sieben Siegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Case John F.
Vom Netzwerk:
überlegte. Warum sollte der Mann lügen, fragte er sich. Und die Antwort drängte sich wie von selbst auf: schönes Auto.
    Was natürlich nichts zu bedeuten hatte. Er war wieder da, wo er angefangen hatte – in einem billigen Motel mit horrenden Ausgaben und ohne echte Story. Er könnte genausogut noch im ›Tschernomorskaja‹ sitzen.
    Über die Tastatur gebeugt, tippte er die Worte: › Tempel des Lichts‹ – Besucherzentrum. Dann nahm er die Broschüre zur Hand und tippte die verschiedenen Angaben zum ›Tempel‹ ab: Adresse, Fax, Telefon, Website, E-Mail. Sonst noch was Wichtiges? Eigentlich nicht. Außer dass sie anscheinend viel Geld hatten. Ein ›Flaggschiff‹. Und einen Hubschrauber. Und ein ›Anwesen‹.
    Wo kam das Geld her, fragte er sich. Das Duschgel war zwar toll, aber wieviel Geld konnte man mit so was verdienen? Schließlich verkauften sie das Zeug ja nicht landesweit in Supermärkten.
    Er fragte sich, wie ihre Website wohl aussah, und schloss den Laptop ans Telefonnetz an. Als er AOL anklickte, dachte er: Frank Daly, der Cyberspace-Schnüffler.
    Die Homepage des ›Tempels‹ brauchte ungefähr dreißig Sekunden, um sich aufzubauen, das Bild der Erde – aus dem Weltraum aufgenommen. Doch statt der wahllosen Wolkenschleier, die über dem altvertrauten ›blauen Kiesel‹ wirbelten, hatte der Künstler die Wolken zu einem gespenstisch stilisierten Bild verdichtet: ein sich aufbäumendes weißes Pferd mit wildem Blick. Tempel des Lichts leuchtete pulsierend in ständig wechselnden Farben. Unter dem Schriftzug war eine Vielzahl kleinerer Kästchen, jedes mit einem Bild versehen. Er klickte das erste an: Solange und der Hund am Strand. Es war das gleiche Bild, das er im Inspirationsraum des Besucherzentrums gesehen hatte.
    Es gab nicht viel her. Der Text stellte den Leiter des ›Tempels‹ vor, Luc Solange, ›ein widerwilliger Guru der Ökologiebewegung‹ und ›eine führende Gestalt offensiven Umweltschutzes‹. Die erklärte Mission des ›Tempels‹ war es, ›die Harmonie zwischen der Mutter Erde und dem Kind Mensch wiederherzustellen‹. Solange hielt angeblich häufig Vorträge in den Wellness-Zentren des ›Tempels‹ in Big Sur, Taos, Cabo San Lucas und anderen ›Stätten spiritueller Konvergenz‹. Man konnte diese Vorträge ebenso aufrufen wie Informationen zu den Wellness-Zentren.
    Andere Seiten boten Optionen an wie ›Envirogeddon‹ und ›Entschlüsselte Offenbarungen‹, wobei letzteres Solanges Deutung der sieben Siegel war. Frank warf einen kurzen Blick hinein und stellte fest, dass es sich um eine schwer verständliche, gelehrte Arbeit mit vielen Fußnoten handelte, die mit Verweisen auf Numerologie und Kabbala durchsetzt war. Er rief eine andere Seite auf, ›Drachenmärchen‹, und sah, wie sich die Umrisse eines großen Schiffes, das durch hohe Wellen schnitt, langsam auf seinem Monitor aufbauten. Er klickte das Schiff an, bekam aber eine Fehlermeldung, derzufolge die Seite nicht gefunden werden konnte. Er ging zurück.
    Ein ›Buch der Tage‹ zeigte Bilder von lächelnden ›Templern‹ bei der Arbeit, beim Spiel und en famille. Es gab Bestellformulare für die ›EcoVita‹-Produkte des ›Tempels‹ (Aromatherapie und Ernährungszusätze) sowie für dessen Publikationen. Zum guten Schluss wurden Links zu anderen Websites angeboten, darunter die von ›Earth First‹ und ›Peta‹, und ›ein Brief von Lukas‹, der die Leser aufforderte, dem ›Tempel‹ in seinem Kampf um die Rettung des Planeten beizustehen.
    Frank sah auf die Uhr und verließ das Internet. Es war halb elf, und er wollte Annie noch anrufen, bevor sie schlafen ging.
    »Hallooo«, sagte sie, und es klang, als wäre sie froh, seine Stimme zu hören. »Wo sind Sie?«
    »In New Jersey. Mein Zimmer ist völlig orange. Ich komme mir vor, als würde ich in einem Kürbis stecken.«
    Sie lachte und machte einen Witz über Disneys Cinderella. Dann wurde sie ernst. »Also, wie ist es gelaufen?«
    Er erzählte ihr von Kramer und dem Besucherzentrum und fügte hinzu, dass er sich gerade die Website des ›Tempels‹ angesehen habe. »Vielleicht wollen Sie mal reinschauen«, sagte er, »ist schon interessant – wenn man auf so was steht.«
    »Ich seh’s mir mal an«, erwiderte sie. »Vielleicht geh ich aber auch ins Bett.«
    Sie unterhielten sich noch ein paar Minuten über nichts Besonderes, dann legten sie auf, und Frank stand vor der Wahl, entweder schlafen zu gehen oder es doch noch mit den Gee-Gnomes

Weitere Kostenlose Bücher