Das erste der sieben Siegel
einigen Golfplätzen und einem Grünstreifen am Bach entlang erstreckten sich, so weit das Auge reichte, in alle Richtungen Siedlungen und Einkaufszentren. Das war auch gut so. Denn für den Test brauchte er eine hohe Bevölkerungsdichte.
Der Ozean war nur sechs Kilometer von Pine Creek entfernt, und wenige Minuten später flog Oberdorfer bereits über die Wohnanlagen und Hotels direkt am Strand. Er hatte vor, eine ›Linearbestäubung‹ vorzunehmen, was nichts anderes hieß, als dass er eine kleine Menge Material auf einer durchgängigen Linie versprühen wollte, im Vertrauen darauf, dass ein günstiger Wind den Impfstoff ins Landesinnere tragen würde.
Es bestand jedenfalls keine Gefahr, das Ziel zu verfehlen.
Direkt unter ihm schoben sich Autos am hellen Strand entlang. Ihre Zahl übertraf sogar die der Schwimmer. Die Stadt hatte zwar die Strandzeiten ein wenig verkürzt, aber die Zufahrt an sich nicht verboten – was ihn ungemein ärgerte. Die Hälfte des Planeten war zubetoniert, und diese Idioten mussten bis zum Strand fahren!
Da konnte einem doch die Galle überlaufen.
Er ging tiefer, griff nach hinten und betätigte den Schalter, um den Luftkompressor in Gang zu setzen. Los geht’s! dachte er, als das Flugzeug den Strand entlangschwebte, der Kompressor vor sich hin stampfte und ein feiner Nebel sich fächerförmig von den Tragflügelkanten ausbreitete.
22
Carl Tuttle saß Frank gegenüber auf der anderen Seite des Schreibtisches, und hinter ihm hing die Fahne seines Amtes. Staatsanwalt Tuttle, ein teiggesichtiger Mann Ende vierzig, war nicht gerade redselig.
Frank fragte ihn, wie der Torso gefunden worden war.
»Hund von Campern.«
»Waren Sie überrascht?«
Tuttle neigte den Kopf und sah ihn an. »Dass im Wald eine enthauptete Frau mit abgeschnittenen Händen gefunden wurde?« Er überlegte einen Moment und zuckte dann die Achseln. »Eigentlich nicht.«
»Haben Sie die Leiche gleich nach dem Fund mit den Bergmans in Verbindung gebracht?«
»Nein.«
»Warum nicht?«
»Es gab nichts, um eine Verbindung herzustellen.« Er machte mit Zunge und Gaumen ein leise schmatzendes Geräusch. »Die DNS-Tests dauern eine Weile. Dann wissen wir mehr.«
»Könnten Sie mir die Namen der Camper nennen?«
»Nein, ich glaube, das wäre denen nicht recht. Der Hund hieß jedenfalls Taz.«
»Danke. Aber Sie halten in dieser Sache Kontakt mit den Ermittlungsbehörden von Dutchess County, richtig?«
»Wenn Sie das sagen.«
»Nun ja, es wäre schon eine Meldung wert, wenn Sie es nicht täten«, entgegnete Frank leicht gereizt.
Tuttle schmunzelte, dass er Frank allmählich aus der Ruhe brachte.
»Ich habe gehört, dass Harry Bergman mit dem Tod seiner Frau in Verbindung gebracht wird«, sagte Frank und achtete auf Tuttles Reaktion. »Stimmt das?«
Ein bedauerndes Lächeln. »Ach«, erwiderte Tuttle, »das ist ja ganz was Neues.«
»Tatsächlich?«
»Ja«, sagte der Staatsanwalt. »Das ist mir bislang noch nicht zu Ohren gekommen.«
Frank runzelte die Stirn. Wenn Tuttle kein genialer Schauspieler war, sagte er die Wahrheit. »Nun ja, vielleicht war meine Quelle falsch informiert.«
»Das denke ich auch.«
Frank beschloss, einen anderen Kurs einzuschlagen. »Was ist mit dem ›Tempel‹?«
»Was soll damit sein?«
»Ich weiß nicht. Was sind das für Leute?«
Tuttle sagte achselzuckend: »Die bleiben ziemlich unter sich. Wir kriegen sie nicht oft zu Gesicht.«
Frank seufzte. Seit fast einer halben Stunde versuchte er, mit diesem Staatsanwalt ein vernünftiges Gespräch zu führen, und allmählich hatte er es satt. Also legte er seinen Stift beiseite und fragte Tuttle, ob er ihm den Weg zur Zentrale des ›Tempels des Lichts‹ beschreiben könnte.
Tuttle zeichnete eine kleine Karte auf einen Zettel und schob ihn über den Schreibtisch. »Wahrscheinlich lassen die Sie gar nicht rein«, sagte er und schüttelte Frank die Hand.
»Warum nicht?«
Wieder zuckte Tuttle die Achseln. »Unnahbar.«
Und wirklich, sie ließen ihn nicht rein – nur bis zum Besucherzentrum.
Es war in einem mit weißen Schindeln verkleideten Haus außerhalb des Anwesens untergebracht. Rund zweihundert Meter weiter konnte Frank ein schmiedeeisernes Tor und ein kleines steinernes Wachhäuschen sehen. Das Tor war offensichtlich geschlossen, also hielt er vor dem Besucherzentrum, hob den Türklopfer, der wie eine Ananas geformt war, und ließ ihn fallen. Einmal. Zweimal. Noch mal.
Eine freundliche junge Frau öffnete die Tür
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