Das erste der sieben Siegel
dessen Gesicht keine Regung zeigte.
Inoue blätterte weiter. »Heftiges Erbrechen, Sturzblutungen – Mund, Nase, Augen … guter Gott, hören Sie sich das an! Einige von ihnen sind blau angelaufen. ›Leuchtend blau‹.«
Karalekis nickte, ebenso für sich wie für die anderen.
»Verblüfft Sie das denn nicht?«, fragte Inoue. »Dass Leute blau anlaufen?«
Karalekis zuckte die Achseln. »Das gibt es. Es nennt sich ›Zyanose‹, Blausucht.«
Fitch wandte sich an den Arzt. »Sie wissen, wovon dieser Kang hier redet? Sagt Ihnen das was?«
Karalekis verdrehte die Augen. »Es könnte alles Mögliche sein.«
Fitch und Inoue starrten ihn an. Schließlich sagte Fitch: »Nein. Es könnte nicht ›alles Mögliche‹ sein. Es könnte zum Beispiel nicht eine gewöhnliche Erkältung sein. Es könnten keine Hämorrhoiden sein.«
Karalekis lachte in sich hinein. »Das habe ich auch nicht gemeint. Ich meinte, dass ich nicht weiß, inwieweit auf einen Beobachter wie Kang Verlass ist. Ich weiß weder, was er für eine Ausbildung hatte, noch –«
Wasserman beugte sich vor. »Könnten wir … bitte? Ich verstehe nicht, was das damit zu tun hat, dass die nordkoreanische Armee ein Dorf zerstört haben soll. Also, einige Leute waren krank –«
»Offenbar schwer krank.«
»Na und?«
Inoue hob mahnend einen Finger in die Luft. »Moment«, sagte er und blätterte zwei Seiten weiter. »Hier heißt es: ›Sie wollten‹ … das Wort, das dem am nächsten kommt, ist ›kauterisieren‹. Sie wollten das Dorf kauterisieren.«
»Und woher sollte Mr. Kang wissen, was die Armee für Motive hatte? Haben sie es ihm gesagt?«, fragte Wasserman.
Inoue blickte verlegen. »Nein«, antwortete er. »Sie haben Recht. Es ist bloß eine Vermutung. Aber er sagt, im Schnitt sei einer von drei, einer von vier seiner Patienten gestorben, als ein Arzt aus Pjöngjang eintraf. Und gleich danach, etwa eine Woche später, wurde das Dorf … zerstört.«
»Deshalb meint er, sie hätten es ›kauterisiert‹.«
Inoue nickte. »Wie eine Wunde.«
»Und wenn sie gar nicht vorhatten, die Krankheit einzudämmen?«, fragte Wasserman. »Wenn sie sie bloß vertuschen wollten?«
»Wieso hätten sie sie vertuschen wollen?«, fragte Fitch.
»Weil die Wirtschaft am Boden liegt, die Fabriken geschlossen sind, die Leute hungern, nichts funktioniert«, erwiderte Wasserman. »Das letzte, was sie gebrauchen können, ist noch mehr schlechte Publicity.«
»Und Sie glauben, sie würden dafür hundert Leute umbringen?«
Wasserman dachte darüber nach. Schließlich sagte sie: »Klar.«
Karalekis wandte sich an Fitch, der entnervt aufstöhnte. »Was ist mit dem Arzt«, fragte Karalekis, »dieser Arzt aus Pjöngjang? Was hat er über die Epidemie gesagt?«
»Er hat gesagt –« Fitch blickte kurz zu Wasserman, und als er ihren skeptischen Blick sah, korrigierte er sich. »Verzeihung. Wir wissen nicht, was der Arzt gesagt hat. Aber laut Mr. Kang hat der Arzt für die Geschichte eine, äh … eine spanische Frau verantwortlich gemacht.«
Wasserman lachte laut auf, und Fitch knirschte mit den Zähnen.
»He! Ich gebe nur wieder, was dieser Kang gesagt hat!«
Im Zimmer wurde es still. Voorhis putzte sich die Nase, und Karalekis hustete, aber niemand wusste, was er sagen sollte. Schließlich brach Inoue das Schweigen.
»Genau genommen«, sagte er, »hat er das nicht.«
Fitch blickte verdutzt und verärgert zugleich. »Was hat er nicht?«
»Das gesagt.« Inoue tippte mit dem Finger auf die Abschrift vor sich. »Er hat nicht ›eine spanische Frau‹ gesagt. Er hat gesagt ›die spanische Dame‹. Er hat gesagt: ›Der Arzt hat der spanischen Dame die Schuld an allem gegeben.‹«
»Oh, na dann entschuldigen Sie vielmals«, sagte Fitch.
Inoue machte eine verlegene Geste, als wollte er sagen, er habe es ja nur gut gemeint, als er plötzlich merkte, dass Dr. Karalekis ihn anstarrte.
»Was ist?«, fragte er.
»Was haben Sie da gesagt – genau?«
Inoue blickte verlegen drein. »Sie meinen, was in der Abschrift steht?«
Karalekis nickte.
»Also, es ist nur eine Kleinigkeit, aber … laut Mr. Kang hat der Arzt gesagt …« Er blickte auf die entsprechende Seite. »›Der Arzt hat der spanischen Dame die Schuld an allem gegeben.‹«
»Die ›spanische Dame‹«, wiederholte Karalekis.
»Ja. Nach dem, was hier steht, hat er das gesagt.«
»Nicht – ›eine spanische Frau‹.«
Inoue schüttelte den Kopf. »Nein.«
Karalekis blickte dem Übersetzer
Weitere Kostenlose Bücher